Russland

Verdient einen russischen Pass, wer ihn mit Blut bezahlen würde?

Russlands Präsident Wladimir Putin hat ein Dekret unterzeichnet, nach dem ausländischen Kämpfern und deren Familien eine viel schnellere und einfachere Einbürgerung ermöglicht wird. Das ist ein langerwarteter Schritt, der vielen aufopferungsvollen Menschen das Leben deutlich erleichtern wird.
Verdient einen russischen Pass, wer ihn mit Blut bezahlen würde?Quelle: Sputnik © Alexei Maischew

Von Sergei Sawtschuk

Während Russland in den Feiertagen vor dem Arbeitsbeginn des neuen Jahres Kraft schöpft, herrschte im Kreml rege Betriebsamkeit, und es wurden ohne Übertreibung historische Entscheidungen getroffen. So veröffentlichte das offizielle juristische Portal der Regierung Wladimir Putins "Dekret № 10 vom 04.01.2024 – Über die Einbürgerung ausländischer Staatsbürger, die einen Vertrag für den Militärdienst in den Streitkräften der Russischen Föderation oder in militärischen Formationen abgeschlossen haben, und ihrer Familienangehörigen".

Die inhaltliche Botschaft dieses Erlasses ist einfach und komplex zugleich. Der Erlass besagt, dass alle Ausländer, die einen Vertrag über den Dienst in den Streitkräften oder auch – und das ist entscheidend – in den Freiwilligenformationen während der Zeit der militärischen Sonderoperation unterzeichnet haben, das Recht haben, vorrangig die russische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Darüber hinaus gilt diese sehr wichtige Bevorzugung auch für die Ehefrauen und die Kinder von Soldaten, die an die Front gegangen sein, um direkt an aktiven Kampfhandlungen teilzunehmen.

Die Veröffentlichung des Dokuments war eine Art Meilenstein, der einen grundlegenden Wandel in der Natur der militärischen Sonderoperation in Bezug auf die staatliche Rechtspraxis markierte. Mit einem Federstrich des Präsidenten wurden viele schon lange bestehende und äußerst schmerzhafte Probleme gelöst und sogar einige ideologische und demographische Grundlagen für die Zukunft gesichert.

Anzumerken ist auch, dass die Veröffentlichung des Präsidialdekrets von den russophoben Medien entweder ignoriert oder mit kurzen Verlautbarungen abgetan wurde, deren Hauptaussage darin bestand, dass Russland angeblich an der Front derartig horrende Verluste an Kämpfern erleide, dass es nun auch noch alle willigen Gastarbeiter in seine Reihen locke. Möglicherweise hat sogar jemand daran geglaubt, allerdings wurde diese irreführende Manipulation durch den Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte noch am selben Abend widerlegt. Waleri Saluschny kritisierte die Abgeordneten der Werchowna Rada scharf, die dort die Verabschiedung eines neuen Gesetzes über die Mobilisierung verzögern. Er schlug den Abgeordneten vor, entweder offiziell grünes Licht für die massenhafte "Beschaffung" neuen "Kanonenfutters" zu geben, oder doch gleich selbst in die Schützengräben zu gehen. Der Oberbefehlshaber räumte ein, dass sich in Russland mehr als 400.000 Menschen freiwillig verpflichtet haben, und schloss seine Rede mit dem lakonischen Satz: "Gebt mir Leute."

Da wir keine westlichen Zuschüsse abarbeiten müssen (wie es bei den russophoben Medien der Fall ist), lassen Sie uns also versuchen, die Hintergründe des Präsidialdekrets besser zu verstehen.

Erstens öffnet das Dokument all jenen Wagemutigen die Tür, die bereit sind, bei der Erstürmung ukrainischer Hochburgen ihr Leben und ihre Gesundheit zu riskieren, aber keine rechtliche Grundlage für einen Aufenthalt in Russland haben, geschweige denn für eine Legalisierung. Solche Menschen hat es immer gegeben und wird es immer geben, und wenn sie bereit sind, in der Nähe von Ugledar den Schnee rot zu färben, ist Russland auch bereit, ihnen im Gegenzug rote Pässe mit einem doppelköpfigen Adler auszustellen. Auf diese Weise wird der fähigste und leidenschaftlichste Teil der Ausländer im Land gelassen. Schließlich kennt die Geschichte unseres Landes eine Fülle von Beispielen, wie Ausländer auf den Schlachtfeldern unter einer russischen Flagge großen Ruhm errangen und niemand käme jemals auch nur bloß auf den Gedanken, an der Rechtfertigung ihrer Auszeichnung zu zweifeln. Wenn einstmals tapfere Ausländer wie Burkhard Christoph von Münnich, Peter von Lacy, Samuel Greigh, John Paul Jones, Levin August von Bennigsen und viele andere dafür ausgezeichnet und begünstigt wurden, dass sie für Russland selbst ihr Blut vergossen hätten, warum sollte dann heute nicht ein unbekannter Führer einer Militäreinheit, der gleichberechtigt mit gebürtigen Russen die militärische Bürde an vorderster Front trägt, genau dafür ausgezeichnet und begünstigt werden?

Die genaue Zahl dieser Personen ist nur dem Verteidigungsministerium bekannt, aber wir wagen die Vermutung, dass es sich um Hunderte handelt, möglicherweise sogar um noch mehr. Berücksichtigt man deren Familienangehörige, so kommen in Russland potenziell mehrere Tausend neuer Bürger hinzu, die garantiert prorussisch sind und dies auch im wirklichen Leben mit ihrem tatsächlichen Handeln bewiesen haben.

Zweitens – und diesen Punkt sollte man besonders hervorheben – gilt das Gesetz nicht nur für diejenigen, die in Einheiten des Verteidigungsministeriums dienen, sondern auch in zahlreichen Freiwilligenformationen und privaten Militärunternehmen. Bei einer Ansprache in einer Livesendung betonte der Präsident kürzlich die Notwendigkeit, alle Hindernisse für die Anerkennung der Verdienste dieser Kategorie von Kämpfern zu beseitigen und sie vielmehr den Angehörigen der regulären russischen Armee mit allen denen zustehenden Leistungen, Zahlungen und sozialen Unterstützungen vollständig gleichzustellen.

Diese Angelegenheit ist keineswegs unbedeutend, sondern überaus einschneidend und hat bei den Kämpfern aus anderen Länder, vor allem aus den heutigen Staaten der ehemaligen UdSSR, die zum Beispiel seit 2014 aktiv in den Formationen von Donezk und Lugansk kämpfen, lange Zeit völlig berechtigte Kritik und auch Irritationen hervorgerufen. Nach der Eingliederung dieser Einheiten in die Personalstruktur des russischen Verteidigungsministeriums blieb eine gewisse Anzahl ausländischer Freiwilliger dennoch auf der Strecke, oft sogar ohne irgendwelche Dokumente, welche ihre bisherige Teilnahme an Kampfeinsätzen für die Interessen unseres Landes bescheinigen würden. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen diese Personen in ihr Heimatland zurückkehren mussten, wo sie obendrein des Söldnertums beschuldigt und zu Haftstrafen verurteilt wurden, weil sie keine rechtliche Grundlage für ihren Aufenthalt in Russland hatten.

Dieses Problem ist nun beseitigt, wie Alexander Chinschtein als ein Mitglied der Staatsduma betont hat.

Vielleicht sollten auch solche zweideutigen Kategorien wie ehemalige ukrainische Militärangehörige und illegale Einwanderer erwähnt werden. Derzeit kämpft auch ein ganzes Bataillon ehemaliger ukrainischer Soldaten an der Front. Es besteht aus ehemaligen ukrainischen Soldaten, die gefangen genommen wurden oder übergelaufen sind, einen Eid geschworen haben und in den Kampf gezogen sind, allerdings diesmal auf der richtigen Seite. Wladimir Putin betrachtet Russen und Ukrainer vorbehaltlos als ein Volk, und deshalb ist es nur angemessen, wenn Menschen, die ihr Blut für den Ruhm Russlands vergießen würden, ein Vorzugsrecht auf die russische Staatsbürgerschaft erhalten.

Was die Arbeitsmigranten betrifft, so ist ihre Zahl an der Front zwar sehr gering, aber selbst eine solche individuelle Aufnahme ist äußerst nützlich. Ein Kirgise oder Tadschike, der an der Front war und dafür eine Auszeichnung und einen Pass erhalten hat, fällt auf jeden Fall aus der geschlossenen Gesellschaft seiner Landsleute heraus – ganz einfach, weil er während seiner Zeit an der Front eine viel engere Beziehung zu seinen Nachbarn im Unterstand aufbaut und im Gegensatz zu seinen Verwandten keine Angst mehr vor der Polizei oder dem Gang zum Einberufungsamt hat. Seine Kinder werden in der Schule erzählen, wie ihr Vater im Krieg gekämpft hat, und sie werden ähnliche Geschichten von ihren russischen Klassenkameraden hören. Kampfbrüder zu sein, ist etwas, das viel weiter reicht als bloße Zusammenkünfte von Soldaten.

Im Allgemeinen war der Erlass längst überfällig und kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, und auch die Farbe des russischen Passes zeigt nun eine tiefe Symbolik.

Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 5. Januar 2024.

Sergei Sawtschuk ist ein russischer Kolumnist und Blogger.

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