Meinung

Baerbock, ein Dinosaurier und fremde Federn

Diesmal war es ein Fossil, mit dem Baerbock die Brasilianer von ihrem guten Willen überzeugen wollte. Aber wie das bei Baerbock nun einmal ist, über irgendetwas stolpert sie immer, und auch ein Dino führte nicht dazu, dass Brasilien auf die Seite des Westens wechselt.

Von Dagmar Henn

Inzwischen ist es wohl günstig, kleine Gastgeschenke mitzubringen, wenn man in Länder wie Brasilien reist; zumindest, wenn man ansonsten so gern belehrt wie Außenministerin Annalena Baerbock. Immerhin gab es eine gewaltige Scharte auszuwetzen – auch Deutschland dürfte vor dem G7-Treffen daran beteiligt gewesen sein, den brasilianischen Präsidenten Lula da Silva zu einem Treffen mit seinem ukrainischen Gegenstück Selenskij in Hiroshima zu drängen; ein Treffen, das Selenskij dann platzen ließ. Ein diplomatischer Super-GAU, der in Brasilien gewaltig gute Laune hinterließ.

Also reiste Baerbock nicht nur mit Arbeitsminister Hubertus Heil im Gepäck, der brasilianische Pflegekräfte fangen sollte, sondern auch mit Ubirajara jubatus. Vermutlich dachte sie dabei an die Benin-Bronzen, die jüngst zurückgegeben wurden \u2012 nicht, ohne sich danach sogleich darüber zu beschweren, als die Eigentümer dann nicht so handelten, wie die gewesenen Besitzer sich das vorgestellt hatten.

Nebenbei, das war nur ein Bruchteil der in Deutschland vorhandenen Benin-Bronzen \u2012 nämlich jene, die in Berlin lagerten. Weitaus mehr davon befinden sich in den Depots des "Museums Fünf Kontinente" in München, der weltweit zweitgrößten Sammlung nach dem Britischen Museum, aber das gehört dem Bundesland Bayern. Es ist unklar, ob man in Berlin überhaupt von diesen Bronzen weiß, aber es ist ziemlich klar, dass Bayern sie nicht so leicht herausrücken wird wie Berlin.

Es ist durchaus zutreffend, wenn Baerbock den Ubirajara jubatus als kolonialen Raub verbucht hat. Allerdings sollte man dazusagen, dass dieser Raub erst im Jahr 1990 stattgefunden hat. Seit Jahren hatten sich brasilianische Paläontologen dafür eingesetzt, das hühnergroße Fossil eines gefiederten Sauriers aus dem Karlsruher Naturkundemuseum nach Brasilien zurückzuholen. Es war schlicht illegal exportiert worden; das Museum konnte weder Verzollungspapiere noch eine Ausfuhrgenehmigung vorweisen. Das brasilianische Recht untersagt den Export von Fossilien selbst zu Studienzwecken, wenn nicht mindestens ein brasilianischer Wissenschaftler an der Auswertung beteiligt ist. Jahrelang hatte das Stuttgarter Wissenschaftsministerium geleugnet, dass die Verbringung nicht legal war; im Juli 2022 hatte es dann eingestanden, dass das Museum falsche Angaben gemacht hatte.

Die brasilianischen Paläontologen haben dem Fossil sogar einen Namen gegeben. "Bira".

Brasilien ist eine für Deutschland politisch nicht ganz unwichtige Adresse. Vor Jahrzehnten hatte die Militärdiktatur gezielt auf deutsche Konzerne gesetzt, um sich Spielraum gegenüber den USA zu verschaffen; jeder größere deutsche Konzern hat einen brasilianischen Ableger, und die "Fusca", der VW Käfer, war in Brasilien zehn Jahre länger das beliebteste Fahrzeug als in Deutschland. Der brasilianische Präsident selbst begann seine politische Karriere als Gewerkschaftsführer in den Metallbetrieben der Region ABC São Paulo, wo sich von Thyssen bis Daimler Benz die deutsche Schwerindustrie sammelt. Diese Vorgeschichte führt natürlich zu einem durchaus ambivalenten Verhältnis; schließlich hatten eben diese deutschen Betriebe keine Einwände, wenn die Diktatur Gewerkschafter wie Lula in Gefängnisse steckte und folterte.

Inzwischen sind allerdings weder die USA noch die Deutschen Brasiliens größter Handelspartner, sondern, wie im Falle vieler Staaten der Erde, China. Und wie die US-amerikanische, müht sich auch die deutsche Diplomatie, diese Entwicklung irgendwie rückgängig zu machen und Brasilien auf die Seite des kollektiven Westens zu ziehen.

Mit äußerst begrenztem Erfolg. Der Bericht, den das brasilianische Außenministerium über den Besuch von Baerbock und Heil liefert, erwähnt Zusammenarbeit beim Schutz des Amazonas, Klimawandel, bei der Energiewende und Digitalisierung. Er betont: "Über tausend deutsche Unternehmen sind in Brasilien. 2022 überstieg die Außenhandelsbilanz 19 Milliarden US-Dollar, mit 6,3 Milliarden brasilianischen Exporten und Importen in Höhe von 12,8 Milliarden." Von Baerbocks aktuellem Lieblingsthema Ukraine kein Wort.

Dafür wird hervorgehoben, dass seit Jahresbeginn Bundespräsident Steinmeier, Kanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir Brasilien besucht hätten. Das ist eine lange Liste, die deutlich zu erkennen gibt, dass man etwas von Brasilien will, das man nicht bekommt. Das war dieses Mal nicht anders, und Baerbock wurde mit der Stellvertreterin des Außenministers abgespeist, der selbst schon auf dem Weg nach Paris war.

War denn wenigstens die Rückgabe des Sauriers ein Erfolg? Das vogelartige Exemplar stammt aus der Gegend um Santa Inês im Bundesstaat Bahia, einer Kleinstadt mit gerade einmal 11.000 Einwohnern, die sich von diesem einzigartigen Exemplar einen Entwicklungsschub verspricht. Die größte Tageszeitung dieses Bundesstaats, A Tarde, kommentierte die Aushändigung des Fossils dennoch mit Spott:

"An diesem historischen Sonntag versöhnten sich Piraten und Opfer, wuschen Jahrtausende der Gewalt in der Großzügigkeit der Vergebung und vereinbarten, künftighin all jene für hässlich zu halten, die fähig wären, irgendein Stück in seiner Holzkiste unautorisiert in ihren Besitz zu bringen."

Der Grund für diese mangelnde Begeisterung: Vor der Rückgabe wurde noch eine ausführliche wissenschaftliche Auswertung des Fossils in einer akademischen Zeitschrift veröffentlicht. Mit anderen Worten: Die wissenschaftlichen Lorbeeren waren bereits eingeheimst. Die Rückgabe war sogar die Voraussetzung dafür, dass eine solche Veröffentlichung stattfinden konnte; die Bezeichnung des Sauriers war international nicht anerkannt und die Veröffentlichung der Untersuchung zuvor nicht möglich, weil das Verhalten des Karlsruher Museums als "kolonialer Raub" bewertet wurde.

A Tarde verglich die Aneignung der Saurierversteinerung mit den Attraktionen des römischen Kolosseums, in dem Tiere aus eroberten fernen Regionen zur Unterhaltung des Publikums dienten. Die symbolische Macht des Raubs, die die Ausbreitung der blutigen Imperien verbreitet habe, müsse nun moralisch wie auch rechtlich zurückgewiesen werden.

Das klingt nicht wirklich so, als hätte diese extra zurückgehaltene Rückgabe bei den Brasilianern die angestrebte Zuneigung hervorgerufen. Baerbock kehrt vielmehr mit ebenso leeren Händen zurück wie zuvor schon Steinmeier, Scholz, Habeck und Özdemir.

Vielleicht sollte man ihr einen kleinen Tipp geben, für die nächste Reise: Im Besitz des Münchner "Museums Fünf Kontinente" befinden sich noch eine Menge Artefakte, die von Expeditionen etwa im Amazonasgebiet stammen; Kulturgegenstände, die womöglich in Brasilien selbst kein Gegenstück haben und die die Brasilianer womöglich gern wiedersehen würden, wie beispielsweise Federschmuck aus dem neunzehnten Jahrhundert. Wer weiß, wenn die gepackte Kiste groß genug ist, wird es vielleicht doch noch etwas mit der Zuneigung. Nur die Bayern zu überzeugen, ihr Depot leerzuräumen, könnte etwas schwierig werden.

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