Wirtschaft

Warum die Bankenkrise für den Finanzexperten Michael Hudson noch nicht vorbei ist

Vor zwei Wochen ging mit der Silicon Valley Bank (SVB) die 16-größte Bank der USA pleite. Laut dem Wirtschaftsexperten Michael Hudson ist die Insolvenz der SVB viel schwerwiegender als der Bankencrash von 2008/2009. Er vermutet: Die Bankenkrise der USA ist noch nicht vorbei.
BankenkriseQuelle: Legion-media.ru © Westlight

Michael Hudson ist Präsident des Institute for the Study of Long-Term Economic Trends (ISLET), Finanzanalyst an der Wall Street, angesehener Forschungsprofessor für Wirtschaftswissenschaften an der University von Missouri, Kansas City, und Autor zahlreicher Bücher. Zur Insolvenz der drei Finanzunternehmen und den zugrunde liegenden Ursachen äußerte sich Hudson in Form mehrerer Artikel und einem Interview mit dem Journalisten Ben Norton.

Vor dem Crash

Die Insolvenz der SVB kam für viele überraschend. 2020 verfügte die SVB noch über eine historisch hohe Menge an Einlagen. Aufgrund der gedrosselten Wirtschaft infolge der Pandemiepolitik gaben die Kunden der SVB weniger Geld aus und ließen es lieber auf der Bank. Dadurch verdreifachten sich die Einlagen innerhalb von zwei Jahren auf satte 189 Milliarden US-Dollar, sodass 2021 für die SVB das erfolgreichste Geschäftsjahr seit ihrer Gründung im Jahr 1983 war.

Mit dem überschüssigen Geld kaufte die SVB US-Staatsanleihen mit langer Laufzeit sowie staatlich besicherte Hypothekenpapiere – beides Anlagen, die üblicherweise als sehr sicher gelten. Zuletzt hielt die SVB Wertpapiere, die bis zur Endfälligkeit gehalten werden sollten ("held to maturity"), im Wert von 100 Milliarden US-Dollar. Dann erhöhte die US-amerikanische Notenbank, die Fed, den Leitzins. Die Kunden wollten ihr Geld und die SVB hatte plötzlich ein Liquiditätsproblem. Mit anderen Worten: Sie war zahlungsunfähig.

Das US-Finanzministerium ist immer liquide

Um die Insolvenz der SVB zu verstehen, muss man zuerst wissen, wie Staatsanleihen funktionieren. Der Unterschied zur Bankenkrise von 2008/2009 ist nämlich, dass bei den Staatsanleihen und den langfristigen Hypotheken, die die SVB kaufte, überhaupt kein Risiko eines Kreditausfalls bestand, wie Michael Hudson deutlich macht. Im Fall der Immobilienblase, die 2008 platzte, hatten betrügerische Banken schlechte Hypothekendarlehen vergeben. Die Schuldner waren zahlungsunfähig, die Hypotheken waren überbewertet und aus Angst vor Zahlungsausfall gaben die Banken keine Kredite mehr aus. Das US-Finanzministerium, das im Fall von Staatsanleihen der Schuldner ist, ist aber immer liquide.

Staatsanleihen sind Papiere, mit denen sich Staaten auf dem Kapitalmarkt finanzieren. In der Regel haben sie einen festen Nennwert, den der Käufer dem Staat leiht, und einen festen Zinssatz, den Kuponzins, der dem Käufer jährlich ausgezahlt wird. Der Kuponzins orientiert sich am Leitzins der jeweiligen Zentralbank. Am Ende der Laufzeit einer Anleihe wird der Nennwert, der immer gleich bleibt, durch den Schuldner, den Staat, zurückgezahlt. Was im Laufe des "Leben" einer Staatsanleihe variable bleibt, ist ihr Kurswert, d. h. ihr an der Börse gehandelter Preis. Dieser Wert kann sich über oder unter dem Nennwert befinden.

Der für Investoren wie Banken interessante Zins einer Staatsanleihe ist nun der Anleihezins, der sich aus dem Kuponzins, dem Einstiegskurs und der Restlaufzeit der Anleihe zusammensetzt. Auf Deutsch heißt der Anleihezins auch einfach Rendite.

Wenn nun eine Zentralbank den Leitzins anhebt, fallen die Kurse für die bestehenden Anleihen. Der Grund ist, dass neue Staatsanleihen einen höheren Kuponzins haben als die alten. Investoren werden daher bevorzugt neue Staatsanleihen mit höheren Kuponzinsen und damit höheren Renditen kaufen. Dementsprechend fällt der Marktpreis für die alten Anleihen, da sie durch ihren niedrigeren Kuponzins unattraktiver geworden sind. Um eine Anleihe mit niedrigerem Kuponzins verkaufen zu können, muss sie günstiger verkauft werden, wodurch die Rendite sinkt. Investoren mit alten Anleihen erleiden gemessen am Marktwert entsprechend Verluste. Eine Alternative ist natürlich, die Staatsanleihe nicht zu verkaufen und beispielsweise auf das Ende ihrer Laufzeit zu warten.

Ende der "Quantitativen Lockerung"

Der SVB fiel nun, kurz gesagt, dem gesunkenen Marktwert ihrer Staatsanleihen zum Opfer. Wie Michael Hudson aber darlegt, war das eigentliche Problem, das der Insolvenz der SVB vorausging, das Finanzsystem selbst, das sich von der Politik der "Quantitativen Lockerung" (Quantitative Easing), die 14 Jahre lang herrschte, zu befreien versucht.

Bei der Quantitativen Lockerung kauft eine Zentralbank große Mengen an Wertpapieren, typischerweise Staatsanleihen, von anderen Banken auf, und schafft damit neues Geld. Indem die Zentralbank Staatsanleihen kauft, erhöht sie gleichzeitig deren Marktpreise und senkt, wie oben dargelegt wurde, deren Renditen. Für die Regierung heißt das, dass sie die Kosten für die Vergabe von Krediten senkt und sich selbst mehr Kredite leisten kann. Ein weiterer Effekt dieser Art der Fiskalpolitik ist, dass Investoren angesichts der gesunkenen Rendite für Staatsanleihen, ihr Geld lieber in riskantere Finanzprodukte stecken, die höhere Zinsen versprechen, z. B. in Aktien.

Das Problem in der relativ langen Zeit der Quantitativen Lockerung in den USA war nun, wie Michael Hudson darlegt, dass das US-Bankensystem feststellte, dass seine Monopolmacht zu groß geworden war. Wegen des niedrigen Leitzinses mussten Banken den Einlegern nur 0,1 bis 0,2 Prozent Zinsen zahlen. So viel zahlte das US-Finanzministerium für kurzfristige, risikofreie Staatsanleihen. Währenddessen verlangten die Banken viel höhere Zinsen für Kredite, Hypotheken und Kreditkarten. Und während der Pandemiepolitik legten die Unternehmen ihr Geld lieber auf die Bank, anstatt es auszugeben.

Mit dem vielen Geld kauften die Banken wiederum Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten, um einen, wenn auch nicht großen, Arbitragegewinn zu erzielen. Dies tat auch die SVB.

2022 kündigte dann der Chef der US-Notenbank Jerome Powell die Erhöhung des Leitzinses an, laut Hudson mit dem Ziel, das Lohnwachstum zu bremsen, das sich mit der Erholung der Wirtschaft entwickelte. Die Folge war, dass die höheren Zinssätze den Kurs von Anleihen senkten, und zwar am stärksten bei Anleihen mit langer Laufzeit. Dann wurde der Leitzins erneut erhöht und die SVB besaß immer noch ihre langfristigen Staatsanleihen – und am 11. März saß sie plötzlich auf 163 Milliarden nicht realisierter Verluste. Warum nicht realisiert? Das statistische Bild, das Banken über ihre Aktiva und Passiva vermitteln, muss nicht der Marktrealität entsprechen, wie Hudson betont. Banken ist es erlaubt, ihre Vermögenswerte zum "Buchwert" zu bewerten, d. h. zum Preis, der für ihren Kauf gezahlt wurde. Den Marktwertverlust müssen Banken erst offenlegen, wenn Einleger ihr Geld haben wollen. Dies war mit dem steigenden Leitzins der Fall. Warum sollten Anleger 0,2 Prozent bei der SVB akzeptieren, wenn Staatsanleihen 5 Prozent versprachen?

Während der Zinssatz stieg, sanken die Einlagen der SVB zwischen März 2022 und Dezember 2022 zunächst um 30 Mrd. US-Dollar. Durch den Verkauf der langfristigen Staatsanleihen, um die Einlagen auszuzahlen, wurden die Verluste realisiert. Laut Hudson Beurteilung waren die Banken einfach zu egoistisch und die Anleger reagierten rational.

Das eigentliche Problem

Wie konnte es so weit kommen? Die SVB wurde von der Federal Home Loan Bank (FHLB) beaufsichtigt, die laut Hudson berüchtigt dafür wäre, dass sie die Banken, die unter ihrer Aufsicht arbeiten wollen, in die Zange nimmt. Das Geschäft der SVB war jedoch nicht die Vergabe von Hypotheken, sondern die Kreditvergabe an private Hightech-Beteiligungsgesellschaften, die für Börsengänge vorbereitet werden. Die Preise für solche Unternehmen werden, wie Hudson darlegt, zu hohen Preisen ausgegeben, angepriesen und dann oft in einem Pump-and-Dump-Spiel fallen gelassen. Bankbeamte oder Prüfer, die dieses Problem erkennen, würden als "überqualifiziert" disqualifiziert.

Doch es könnte auch eine politische Dimension geben. Das kalifornische Silicon Valley ist eine Hochburg der US-Demokraten, und die Parteiführung ist ihren Anhängern gegenüber loyal. Daran wird sich erst einmal nichts ändern.

Das finanzwirtschaftliche Problem bleibt ebenfalls bestehen. Für Michael Hudson ist die große Frage, ob die Zinssätze jemals wieder zu einem historischen "Normalwert" zurückkehren können, ohne das gesamte Bankensystem in eine Art SVB zu verwandeln.

Das eigentliche Problem, dass Hudson sieht, sei jedoch das exponentielle Wachstum der zinstragenden Schulden, während die Wirtschaft aber einer S-Kurve folge und dann abfalle. Und wenn sich die Wirtschaft abschwäche – oder absichtlich gebremst werde –, wenn die Löhne und Gehälter die Preisinflation aufholten, die durch Monopolpreise und die antirussischen US-Sanktionen verursacht würden, die die Energie- und Lebensmittelpreise in die Höhe treiben, dann übersteige das Ausmaß der finanziellen Forderungen an die Wirtschaft die Fähigkeit zu zahlen. Dies sei die eigentliche Finanzkrise, mit der die Wirtschaft konfrontiert sei und die über das Bankwesen hinausgehe.

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