Russland

Freiheit vom westlichen Diktat: Wie Sanktionen russische Individualität in Mode und Stil fördern

Sanktionen wecken Individualität ‒ und Freiheit noch dazu. Da westliche Marken und Illustrierte Russland verlassen haben, orientieren sich die Menschen nicht mehr an den Trends, sondern entwickeln ihren eigenen Stil.
Freiheit vom westlichen Diktat: Wie Sanktionen russische Individualität in Mode und Stil fördernQuelle: Sputnik © RIA Nowosti

Seit Beginn der Militäroperation in der Ukraine haben zahlreiche globale Modemarken und Modemagazine Russland verlassen. Während das Land zuvor natürlich in den globalen Kreislauf der Modetrends eingebettet war ‒ was in Europa bei einer Zara- oder Mango-Marke erschien, wurde in Russland sofort eingeführt ‒, hat sich nach dem Februar 2022 alles geändert. Die Russen wurden nicht mehr ständig mit Informationen darüber versorgt, was in Mode ist und was nicht, sie reisten kaum noch in westliche Länder und hatten kaum noch die Möglichkeit, den westlichen Stil nachzuahmen, wie sie es früher getan hatten.

Noch vor einem Jahr schien es das Ende zu sein. Eine totale Abschottung. Doch statt des allgemeinen Abstiegs hat sich auf den russischen Straßen ein neuer Stil entwickelt, wie das Portal Moskvich.mag nun feststellt:

"Überraschenderweise hat die Verringerung der Möglichkeiten zu mehr Vielfalt geführt. Es gibt keine Diktate mehr. Die einzigen Standards, die vielleicht beibehalten werden, sind weite Hosen und Cargohosen, aber ansonsten ist alles dem Einzelnen überlassen. Eine Reihe von Kleidungsstücken und die Art, wie sie getragen werden, bilden eine individuelle Aussage. Dieser Ansatz hat den saisonalen Wettlauf um Trends abgelöst. Das ist schlecht für die Geschäfte, aber viel ruhiger für den Geldbeutel."

Die Kaufaktivität habe sich auf Online-Marktplätze verlagert, stellt das Portal fest – da können die Menschen "mal etwas anderes kaufen, abends zu Hause auswählen und bestellen, ohne zu hetzen". Die aufreizende Sexualität, die früher ein fester Bestandteil der Mode war, ist von den Straßen fast verschwunden, so Moskvich.mag. Alles ist stilvoller, dezenter und ruhiger geworden – "architektonisch und sauber, ohne aufdringlich zu sein". Es gibt nun stilvolle, hochwertige Kleidung und Schuhe von kleinen neuen russischen Marken.

Die Veränderungen im Erscheinungsbild der russischen Fashionistas sind auch auf eine veränderte Angebotsstruktur zurückzuführen – nach der Verhängung der westlichen Sanktionen mussten nahezu alle Lieferketten neu aufgebaut werden. "Jetzt gibt es ein wachsendes Interesse an der Lieferung von Waren aus dem Osten und Asien", stellte Natalia Schukowa, Leiterin der Kundenabteilung von BMJ-logistics, vergangenes Jahr, nach der Einführung der Sanktionen, in einem Interview mit dem Fachportal Retail.ru fest: "In der letzten Jahreshälfte betrug das Wachstum des Güterverkehrs aus der Türkei 12,8 Prozent im Vergleich zur ersten Hälfte des Jahres 2022."

Iwan Golowko, Leiter des internationalen Güterkraftverkehrs in Russland und den GUS-Staaten bei Noytech Supply Chain Solutions, bestätigte diese Aussage und fügte hinzu: "Wir erwarten, dass in naher Zukunft viele Projekte mit türkischen, indischen und anderen Wurzeln auf den russischen Markt kommen werden." Und bereits Ende des Jahres 2022 stellte das Fachportal Retail.ru fest:

"Ausländische Anbieter von Bekleidung und Schuhen aus Ländern, in denen die antirussischen Sanktionen intensiv vorangetrieben werden, haben eine abwartende Haltung eingenommen. Gleichzeitig nutzen die Türkei und China aktiv ihre Vorteile, sowohl als 'Zwischenglied' für Lieferungen als auch bei der direkten Einführung ihrer Marken auf dem russischen Markt. Außerdem, so Irina Burenko, Direktorin der R4S Group, 'ist der russische Modeeinzelhandel im Segment des Street Retail unglaublich aktiv', was seit vielen Jahren aufgrund der Dominanz ausländischer Marken nicht mehr zu beobachten war."

Von einem Eisernen Vorhang in Sachen Mode kann also keine Rede sein – auch wenn einige westliche Marken Russland verlassen haben und russische Touristen nicht mehr wie früher nach Europa reisen.

Nun gewinnt die strukturelle Neuordnung des Modemarktes, die im Jahr 2022 begann, an Fahrt, wie das Fachportal Retail.ru feststellt. Quantitativ gesehen gibt es nicht weniger Kleidung und Schuhe in den Geschäften, das Sortiment ist vielfältiger geworden und die Kunden haben eine große Auswahl, so Retail.ru. Waren aus der Türkei, Weißrussland und Usbekistan haben die Importe aus China verdrängt, und man findet in den Geschäften immer noch Dinge aus Europa.

Übrigens sind es russische Hersteller sowie türkische und chinesische Marken, die aktiv die Nische in der mittleren Preiskategorie besetzen – eine Nische, die früher von europäischen Marken belegt war. Aber auch die europäischen Anbieter haben sich keineswegs völlig zurückgezogen – im Gegenteil: Trotz der Tatsache, dass viele Marken Angst vor Sekundärsanktionen haben, drängen immer mehr neue europäische Hersteller auf den russischen Markt, so die Experten. Und zwar solche, die bisher in Russland nicht vertreten waren. Ramil Sulejmanow, Geschäftsführer des Logistikunternehmens Art-Delivery, sagt zum Beispiel:

"Unser Unternehmen ist auf die Lieferung von Modeartikeln aus Europa spezialisiert. In der ersten Hälfte des Jahres 2023 ist das Liefervolumen aktiv gewachsen – um das Doppelte. Das ist vergleichbar mit den Mengen in der ersten Jahreshälfte 2019 vor der Pandemie."

"Es gibt eine Nachfrage nach in Europa hergestellten Waren in Russland, und viele EU-Hersteller sind bereit, sie zu erfüllen."

Hauptnutznießer des Abzugs ausländischer Marken aus Russland und der westlichen Sanktionen sind jedoch eindeutig die einheimischen Handelsketten. Nach Angaben der Fashion Consulting Group wuchs ihr Umsatz im Jahr 2022 um 10 bis 25 Prozent. Und viele der größten russischen Handelsunternehmen meldeten in der ersten Jahreshälfte des Jahres einen deutlichen Umsatzanstieg. Das Portal Retail.ru erläutert:

"Die Umsätze der führenden Unternehmen auf dem heimischen Modemarkt – Sportmaster, Gloria Jeans, Detskij Mir, Kari, Melon Fashion Group, Familia – stiegen im Jahr 2022 um 10 bis 20 Prozent. Sie belegten die ersten Plätze im Offline- und Online-Handel, in den Bereichen Freizeit-, Sport- und Abendmode. Die Melon Fashion Group (Marken Sela, Love Republic, Zarina, Befree) führt die Idol-Kette in der Premium-Preiskategorie ein und will in diesem Jahr etwa 50 Geschäfte eröffnen. Dem Jahresbericht der Gruppe zufolge stieg der Umsatz aller Marken im Jahr 2022 um 23 Prozent und erreichte 46 Milliarden Rubel. Der Nettogewinn stieg um 121 Prozent auf 7,8 Milliarden... Das Konzept der 'einheimischen Marke' hat sich inhaltlich dem weltweiten Niveau angenähert."

So ist es nicht verwunderlich, dass plötzlich Investitionen in das russische Modesegment fließen – und selbst in kleine, lokale Marken kräftig investiert wird. Marken, die bereit sind, den riesigen russischen Modemarkt im Sturm zu erobern – der nun losgelöst vom westlichen Diktat ist.

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