Meinung

Die größte Lüge, die uns über Gaza erzählt wird, ist, dass dieser Krieg notwendig sei

Die zweitgrößte Lüge, die uns über die von den USA unterstützte israelische Zerstörung des Gazastreifens erzählt wird, ist, dass sie von Vorteil sei und zum Frieden führen werde. Die größte Lüge, die uns darüber erzählt wird, ist hingegen, dass dieser Krieg notwendig sei.
Die größte Lüge, die uns über Gaza erzählt wird, ist, dass dieser Krieg notwendig sei

Von Caitlin Johnstone

Die Zerstörung von Gaza bringt keinen Nutzen und wird nicht zum Frieden führen, denn wie ich bereits geschrieben habe, ist es unmöglich, eine Bevölkerung durch Bomben zur Unterwerfung und zum Gehorsam zu zwingen. Selbst wenn jedes Mitglied der Hamas getötet wird, werden die schrecklichen Aktionen Israels in Gaza weitaus mehr Menschen zu gewalttätigem Widerstand gegen die Besatzung durch Israel radikalisiert haben. Die Hamas wäre nicht in der Lage, wirksamere Rekrutierungspropaganda für ihre Kampfbrigaden zu produzieren, als die Videoaufnahmen, die Israel selbst verbreitet, in denen palästinensische Familien und Kinder vor den Augen der ganzen Welt ermordet werden.

Die Zerstörung von Gaza ist nicht notwendig, denn es gibt gangbare Wege zu einem wahren und dauerhaften Frieden, die nicht den Abwurf einer einzigen Bombe erfordern, und es gibt auch sehr einfache Möglichkeiten, zum missbräuchlichen Status quo vom 6. Oktober zurückzukehren, ohne dass eine einzige Bombe abgeworfen wird. Der Weg zu einem echten und dauerhaften Frieden in der Region würde darin bestehen, dass sich alle an den Verhandlungstisch setzen, dass Israel das Unrecht der Vergangenheit seit 1948 wiedergutmacht und dass Israel und seine wohlhabenden Alliierten massiv in die finanzielle Entschädigung der Palästinenser investieren, statt in Bomben. Und dass Israel seine Natur und staatliche Organisation komplett ändert, sodass es nicht länger ein mörderischer Apartheidsstaat sein muss, der durch endlose Gewalt und Missbrauch zusammengehalten wird.

Dieser Weg ist zugegebenermaßen schwierig zu begehen. Weitaus schwieriger, als nur Tod und Verderben auf Babys, Frauen und Kinder regnen zu lassen. Es wäre ein langer, mühsamer Prozess, bei dem zwei Schritte vorwärts und ein Schritt zurück getan wird. Ein Prozess, der mit enormen Opfern, tiefer Demut und mit der Anerkennung von begangenem Unrecht mit einhergehen würde, etwas, was lange Zeit nicht eingeräumt wurde. Ein Prozess mit vielen Tränen, der viel Heilung erfordern würde. Aber es wäre machbar.

Natürlich wäre es machbar. Es gibt keine Grundlage für die Annahme, dass dies nicht machbar wäre. Wenn man zusammenkommen kann, um enorme Anstrengungen für einen Krieg einzuleiten, kann man auch zusammenkommen, um enorme Anstrengungen für den Frieden einzuleiten. Die einzige Möglichkeit zu glauben, dass ein solcher Frieden unmöglich ist, wäre zu glauben, dass die Hamas Israel völlig unprovoziert und aus heiterem Himmel angegriffen hat. Nur weil die Hamas-Mitglieder böse sind und Juden hassen und man daher nicht mit ihnen verhandeln darf, weil sie alle Untermenschen sind und unfähig zu grundlegender menschlicher Rationalität. Für gebildete Erwachsene ist es nicht in Ordnung, an so etwas zu glauben.

Aber nehmen wir an, man ist der Herkulesaufgabe, einen dauerhaften Frieden zu schaffen, nicht gewachsen. Nehmen wir an, dieses Ziel klingt für weltmüde Ohren zu naiv und zu idealistisch. Nehmen wir an, man wünscht sich nichts anderes als eine Rückkehr zum unbehaglichen, missbräuchlichen und stark militarisierten Status quo des Lebens vor dem 7. Oktober. Nun, das wäre eigentlich auch jetzt völlig machbar.

Es wäre durchaus machbar, weil der Schaden, den die Hamas am 7. Oktober angerichtet hat, vollständig vermeidbar gewesen wäre und nur aufgrund der Nachlässigkeit und/oder des Fehlverhaltens des israelischen Geheimdienstes und der Streitkräfte entstehen konnte. Wenn Maßnahmen ergriffen werden, nur um sicherzustellen, dass solche kolossalen Fehler nie wieder passieren können, dann würde der missbräuchliche Status quo der Verteidigung Israels, mit seiner Raketenabwehr Iron Dome und seinen Grenzkontrollen, nach dem 7. Oktober genauso gut funktionieren wie vor dem 7. Oktober.

Entweder aufgrund von Nachlässigkeit, Arroganz oder aus einem anderen Grund blieb die Offensive der Hamas am 7. Oktober dermaßen unbeantwortet, wie es nur möglich war. Die israelischen Verteidigungskräfte reagierten neun Stunden lang nicht auf den Angriff, obwohl sie seit Monaten ausführliche Warnungen erhalten hatten, dass ein solcher Angriff bevorstand, sowohl von den eigenen Geheimdiensten als auch vom ägyptischen Geheimdienst. Es wurde kein Versuch unternommen, das Nova-Musikfestival vor einem bevorstehenden Angriff zu warnen, obwohl die israelischen Sicherheitskräfte bereits am Tag zuvor wussten, dass ein Angriff bevorstand, bei dem hunderte Menschen sterben und zahllose Geiseln gefangen genommen würden. Der Angriff stieß auf so wenig Widerstand, dass Berichten zufolge die Hamas selbst überrascht war, wie viele Israelis sie gefangen nehmen und töten konnte. Ihre Überraschung war vielleicht auf die Tatsache zurückzuführen, dass sie zwei Jahre lang auf weniger als einer Quadratmeile offenen Geländes trainiert hatten, für einen Luft-, See- und Landangriff mit motorisierten Gleitschirmen, Drohnen und Motorbooten.

Dann erhöhten die Israelischen Verteidigungskräfte – entweder weil sie nicht vorbereitet waren, wegen Inkompetenz oder aus einem anderen Grund – die Zahl der Todesopfer zusätzlich, indem sie Israelis während der chaotischen ersten Abwehrkämpfe töteten. Zahlreiche Augenzeugenberichte von Israelis, die vor Ort waren, sowie zahlreiche Berichte israelischer Medien machen deutlich, dass die israelischen Truppen wahllos auf Gebiete feuerten, in denen sich unzählige Israelis aufhielten und versteckten. Vergangenen Monat gab der Berater von Netanjahu, Mark Regev, auf dem US-Sender MSNBC zu, dass die Zahl der israelischen Todesopfer vom 7. Oktober nach unten angepasst werden musste, weil Israel Hunderte von Kämpfern der Hamas fälschlicherweise als Israelis identifiziert hatte. Ihre Körper waren durch die Feuerkraft der Israelis dermaßen schwer verbrannt worden, dass es logischerweise darauf hindeutet, dass die von Israel behaupteten Menschen, die durch die Hamas bei lebendigem Leib verbrannt worden sein sollen, wahrscheinlich Kämpfer der Hamas waren, die von den israelischen Streitkräften bei lebendigem Leibe verbrannt wurden.

Daher ist es falsch zu behaupten, dass es notwendig sei, die Hamas zu zerstören, um die Sicherheit Israels zu gewährleisten. Alles, was nötig wäre, um die Sicherheit Israels zu gewährleisten, ist eine gründliche Untersuchung dessen, was genau an diesem 7. Oktober passiert ist und was zu diesem spektakulären Scheitern der israelischen Militär- und Geheimdienste geführt hat. Die Bestrafung aller, die bestraft werden müssen, und die Ergreifung von Maßnahmen, um sicherzustellen, dass ein solches spektakuläres Fiasko nie wieder passieren kann. Die Hamas ist nicht in der Lage, eine existenzielle Bedrohung für Israel darzustellen, und ist auch nicht in der Lage, einen weiteren Angriff wie jenen vom 7. Oktober durchzuführen, wenn das israelische Militär und die Geheimdienste tatsächlich ihre Arbeit tun würden.

Nichts von all dem, was passiert ist, war nötig. Die israelischen Streitkräfte hätten den Geheimdienstinformationen, die einen bevorstehenden Angriff ankündigten, Aufmerksamkeit schenken und entsprechend vorbereitet sein müssen, anstatt sich völlig unvorbereitet überrennen zu lassen. Sie hätten den Angriff abwehren können, während der eigenen Bevölkerung weitaus weniger Schaden zugefügt worden wäre. Sie hätten um die Freilassung der israelischen Geiseln verhandeln können, die von der Hamas unter diesen chaotischen Umständen in großer Zahl gefangengenommen wurden – um anschließend zum Status quo ante zurückzukehren.

Auch nach dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober war kein Angriff Israels auf Gaza notwendig. Israel hätte den Angriff abwehren, über die Geiselbefreiung verhandeln und dann Maßnahmen ergreifen können, um sicherzustellen, dass sein Militär und seine Geheimdienste ein solch massives Versagen nie mehr wiederholen werden, das zu derartigen menschlichen Verlusten führte.

Selbst jetzt könnte Israel den Krieg gegen Gaza stoppen und zum missbräuchlichen Status quo vom 6. Oktober zurückkehren. Es gibt keinen Grund, warum Israel nicht einfach aufhören und sicherstellen könnte, dass künftige Angriffe der Hamas abgewehrt werden können. Ja, das Blutvergießen Israels in Gaza hat eine Generation zukünftiger palästinensischer Widerstandskämpfer radikalisiert, aber das wird in viel größerem Ausmaß geschehen, wenn das Morden weitergeht.

Israel kann einfach nicht aufhören, obwohl man jederzeit hätte aufhören können. Stattdessen macht Israel weiter, angetrieben von Hass und Rache und dem bereits bestehenden Wunsch nach einem weiteren Landraub von den Palästinensern, während die Welt mit einer endlosen Menge Lügen gefüttert wird, um Zustimmung dafür zu gewinnen.

Übersetzt aus dem Englischen.

Caitlin Johnstone ist eine unabhängige Journalistin aus Melbourne, Australien. Ihre Webseite findet sich hier und man kann ihr auf X unter @caitoz folgen.

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