Meinung

Kurs auf Konfrontation gesetzt? Deutsche Politiker streiten weiter über künftigen Umgang mit China

Nicht alle maßgeblichen deutschen Politiker sind einverstanden mit dem derzeit forcierten scharf antichinesischen Kurs, aber die kritischen Stimmen haben im Moment schlechte Chancen, sich Gehör zu verschaffen. In den Mainstream-Medien dominieren die Gegner Chinas.
Kurs auf Konfrontation gesetzt? Deutsche Politiker streiten weiter über künftigen Umgang mit ChinaQuelle: www.globallookpress.com © Ju Huanzong

Von Isaak Funke

Der China-Besuch der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock hat die Debatte um Deutschlands zukünftige China-Politik, die schon seit Monaten tobt, weiter angeheizt. Die Resonanz auf die scharfen, undiplomatischen Worte der Außenministerin in Deutschland war überwiegend positiv – während umgekehrt die diplomatischen Avancen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron gegenüber China fast unisono vom deutschen Establishment kritisiert wurden.

Bündnis 90/Die Grünen und auch Baerbock selbst sind ohnehin schon lange dafür bekannt, provokative antichinesische Positionen zu vertreten. Jedoch kommen Forderungen nach einem immer schärfer formulierten kritischen Umgang mit Peking nicht nur von den Grünen. So fordert etwa auch die Bundestagsfraktion der Unionsparteien CDU und CSU eine Stärkung der Kompetenzen zur Analyse Chinas, um angebliche Risiken in den Beziehungen besser erkennen zu können. Zudem streben die Unionsparteien nach einer Politik gegenüber China, die von allen Parteien als "nationaler Konsens" getragen werden solle, da die Volksrepublik vor allem als systemischer Rivale definiert wird. Diese Politik solle dann auch noch auf EU-Ebene vereinbart und mit den USA und anderen westlichen Alliierten im Indopazifik abgestimmt werden.

Die Unionsparteien fordern dafür eine Bündelung der China-Kompetenzen bei einem "China-Beauftragten der Bundesregierung". Deshalb soll es auch künftig "China-Exposure-Kurse" für neue leitende Mitarbeiter der obersten Bundesbehörden geben. Auch die wissenschaftliche China-Forschung müsse verstärkt werden. Eine regelmäßig einzuberufende Staatssekretärsrunde solle eine einheitliche China-Politik beschließen. Eine wohl besonders brisante Forderung ist jene nach der "besseren" Überwachung der Aktivitäten der chinesischen Diaspora durch Sicherheitsbehörden in Deutschland.

Es ist zu vermuten, dass hinter der euphemistischen Forderung nach verbesserten "China-Kompetenzen" der Gedanke steckt, eine insbesondere gegen den "Partner" und Rivalen China gerichtete propagandistische Maschinerie aufbauen zu wollen. Ansätze existieren bereits längst mit diversen "Menschenrechts-"Organisationen, die regelmäßig über angebliche Menschenrechtsverstöße in geopolitisch wichtigen chinesischen Regionen wie etwa Hongkong, Xinjiang und Tibet berichten. Bereits im Kalten Krieg gab es ein ähnliches "wissenschaftliches" Projekt, nämlich den damals gegen die Sowjetunion gerichteten Aufbau diverser Institute mit "Kreml-" oder "Sowjet-"Expertise. In der Regel wurde in diesen Instituten keineswegs objektivierbare wissenschaftliche Arbeit geleistet, sondern sie dienten größtenteils der Schaffung antisowjetischer Narrative, die dann durch die sogenannte "freie" Presse im Westen natürlich sofort aufgegriffen und verbreitet werden konnten. Letztendlich dienen derartige Projekte der Stärkung der Heimatfront, also der Integration der eigenen Bürger in die Linie der herrschenden Politik.

Was mit "China-Kompetenzen" wirklich gemeint sein dürfte, kann man an der angestrebten Städtepartnerschaft zwischen Kiel und Qingdao erkennen: Obgleich ein Ratsbeschluss in Kiel vorliegt, der einen solchen Schritt vorbereiten soll, wird die städtische Politik jetzt von antichinesischen Akteuren unter Beschuss genommen. Die Universität in Kiel etwa sorgt sich um die militärische Sicherheit Deutschlands, wenn chinesische Agenten die in Kiel stationierten Schiffe der Bundesmarine ausspionieren könnten – immerhin sei Qingdao ja auch ein Standort der chinesischen U-Boot-Flotte.

Der schärfere antichinesische Wind aus Europa lässt sich auch an den Äußerungen weiterer führender konservativer Politiker aus Deutschland ablesen. So erklärte etwa unlängst Manfred Weber, der Chef der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, zu deren Mitgliedern dort CSU und CDU auf EU-Ebene zählen, dass die EU bereit sein müsse "zu massiven Sanktionen gegen China", sollte China Taiwan "überfallen". Im Glauben an ein vermeintliches Nullsummen-Spiel erklärte er, China wolle ausgerechnet auf Kosten des starken Europas zur neuen globalen Supermacht aufsteigen. Es sei aus europäischer Perspektive undenkbar, China mit den Vereinigten Staaten hinsichtlich der "natürlichen Allianzen" Europas in der Welt gleichstellen zu wollen. Es müsse zügig eine "echte Europäische Politik" gegenüber China entwickelt werden, "zusammen mit unseren demokratischen Partnern rund um die Welt". "Die EU muss autonomer werden, aber wenn China angreift, wird sich die EU schließlich auf die Seite ihres Verbündeten, der Vereinigten Staaten, stellen", stellt Weber klar. Wenn hier von "unseren demokratischen Partnern" gesprochen wird, dann lässt sich schon daran erkennen, dass viele westliche Vertreter zunehmend in das alte Blockdenken verfallen. Das war und bleibt eine äußerst gefährliche Tendenz, denn Blockdenken kann bekanntermaßen besonders leicht zu Konflikteskalation führen.

Dennoch gibt es in Deutschland auch immer noch Stimmen der Besonnenheit in Bezug auf die künftige deutsche Orientierung gegenüber der Volksrepublik China. So forderte etwa der rechte Flügel der SPD, der "Seeheimer Kreis", dem immerhin 93 von 206 SPD-Bundestagsabgeordneten angehören, in einem Thesenpapier zur China-Politik eine pragmatischere Orientierung. Diese SPD-Strömung kritisierte die Grünen-Minister Baerbock und Robert Habeck, die sich derzeit nur von "Einzelfall zu Einzelfall" hangeln würden. Der Seeheimer Kreis verwies auf die Tatsache, dass das deutsch-chinesische Handelsvolumen viermal so groß sei wie der Handel mit Russland vor Kriegsbeginn und warnte: "Ein abruptes Ende der Handelsbeziehungen mit China wäre ein ökonomisches Desaster. Insofern darf eine kohärente Chinastrategie folgerichtig keine 'Anti-China'-Strategie sein." Zudem appellierten die rechten Sozialdemokraten an das von Baerbock geführte Auswärtige Amt, dem jetzigen radikal-antichinesischen Kurs endlich zu entsagen.

Auch die nationalkonservative AfD warnte vor einer Konfrontation mit China. So erklärte der AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla, Baerbock würde weiterhin eine Eskalation befeuern. Die Außenministerin habe bereits "den nächsten Wirtschaftskrieg in der Schublade". Zudem lobte er Macrons China-Initiativen – als eine der seltenen positiv wertenden Stimmen aus Deutschland. Er bedauerte auch, dass sich Deutschland an Provokationen gegenüber China beteiligt habe.

Derweil lässt die geplante neue "China-Strategie der Bundesregierung", die ursprünglich für Anfang des Jahres angekündigt worden war, immer noch auf sich warten. Zuletzt gab es immer wieder Berichte über gewichtige Unterschiede zwischen den einzelnen Ressorts, die an der Erarbeitung des Papiers beteiligt sind. Der Entwurf, über den die deutsche Presse bereits vor Monaten andeutungsweise berichtet hatte, war geprägt von ungenauen und lavierenden Formulierungen, woraus die Tatsache abzulesen war, dass die Koalitionäre der Bundesregierung uneins sind über die zukünftige Orientierung gegenüber China.

Während es auf der einen Seite eine starke Tendenz gibt, die Zusammenarbeit mit China zunehmend zu beschränken, wodurch immer häufiger auch kulturelle, wissenschaftliche und gesellschaftliche Bereiche von der westlichen Anti-China-Paranoia betroffen sein dürften, gibt es immer noch bedeutende Akteure, die sich einer solchen radikalen Verschlechterung der Beziehungen zu China verweigern. Zu den Kräften, die den Anti-China-Pol darstellen, gehören vor allem Die Grünen, weite Teile der konservativen CDU – die allerdings derzeit auf der Oppositionsbank sitzt –, einige wichtige Organisationen der sogenannten "Zivilgesellschaft", die besonders im Bereich der "Menschenrechtspolitik" aktiv sind, bedeutende Teile der Presse und transatlantische Organisationen, die bestens vernetzt sind und ihre Meinungen gut verbreiten können. Zu den Gegenkräften, die vorsichtiger sind und eher einen Ausgleich mit China anstreben, gehören weite Teile der SPD, die Oppositionsparteien Linke und AfD sowie einige Gewerkschaften und Unternehmerverbände und Einzelunternehmen, die ein starkes Interesse am wirtschaftlichen Austausch mit China haben. Allerdings sind die Kräfte, die eher an der Kooperation mit China festhalten wollen, nicht so gut vernetzt und haben deutlich geringeren Zugriff auf Medienressourcen, so dass ihre Stimmen in der Öffentlichkeit kaum gehört werden. Zudem sind sie untereinander oft uneins.

Der propagandistische Erfolg der antichinesischen Kräfte dagegen zeigt sich unter anderem darin, dass sich auch Teile der Bevölkerung immer kritischer gegenüber China äußern, selbst wenn die eigenen materiellen Interessen größtenteils gegen solches Verhalten sprechen sollten. So gab laut einer im Herbst des letzten Jahres veröffentlichten Umfrage fast die Hälfte der Befragten an, dass nach ihrer Meinung die Wirtschaftsbeziehungen zu China reduziert werden sollten. 87 Prozent gaben an, Deutschland müsse sich unabhängiger machen von sogenannten "nicht-demokratischen Ländern". Das ist ein besorgniserregender Trend, denn durch solche (propagandistisch sorgsam konstruierten) Mehrheiten legitimieren die führenden Politiker wenig später dann ihre wegweisenden Entscheidungen für die Zukunft. Das könnte nun also auch bei einer Reduzierung der Kontakte zu China mit dramatischen Konsequenzen für Deutschland der Fall sein.

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