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Der industrielle Zensurkomplex: Akteure und Methoden einer neuen Inquisition

Wie konnte sich der neue "industrielle Zensurkomplex" aus dem militärisch-industriellen Komplex entwickeln? Mit welchen Methoden arbeiten die Meinungsmacher? Welche Ziele verfolgen sie? Präsentiert wird eine Recherche über die 50 wichtigsten Akteure des neuen industriellen Zensurkomplexes und seine politischen Auswirkungen.
Der industrielle Zensurkomplex: Akteure und Methoden einer neuen InquisitionQuelle: www.globallookpress.com © Christoph Soeder / dpa

Vergleichbar mit dem militärisch-industriellen Komplex in den kapitalistischen Gesellschaften des Westens deutet vieles darauf hin, dass sich daneben in den letzten Jahrzehnten ein industrieller Zensurkomplex herausgebildet hat.

In einer Analyse auf der Nachrichtenplattform Zerohedge vom Donnerstag beschreiben die Autoren, wie sich ein solches Machtgeflecht seit dem Zweiten Weltkrieg zunächst in den USA entwickeln konnte. In einer Top 50-Liste präsentieren sie die wichtigsten Organisationen, welche die öffentliche Meinung gezielt beeinflussen und abweichende Ansichten mit professionellen Methoden diffamieren.  

Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich in den USA eine hocheffizient arbeitende Waffenindustrie. Dieser neue Sektor habe mittels kultureller, finanzieller und politischer Unterstützung eine enorme politische Macht entfalten können. In einer Rede warnte der damalige US-Präsident und vormalige General Dwight Eisenhower bereits im Januar 1960 vor der Macht des neuen militärisch-industriellen Komplexes.

"In den Regierungsgremien müssen wir uns davor hüten, dass der militärisch-industrielle Komplex ungerechtfertigten Einfluss erlangt, sei er nun gewollt oder ungewollt. … Wir dürfen niemals zulassen, dass das Gewicht dieser Kombination unsere Freiheiten oder demokratischen Prozesse gefährdet."

Damals sei seine Warnung von den Medien ignoriert worden. Sechzig Jahre später habe der größte Teil Amerikas keine Angst mehr davor, dass die US-Waffenindustrie die Demokratie von innen heraus vereinnahmen könnte. Doch sollte man die Worte Eisenhowers im Gedächtnis behalten, so die Autoren des Zerohedge-Artikels.

Im Jahr 1996, als das Internet mehr und mehr öffentliche Verbreitung fand, veröffentlichte die US-Armee das "Field Manual 100-6". Militärische Befehlshaber sollten lernen, dass die "Informationshoheit" von nun an ein entscheidendes Element für "effektives Operieren" sei. Sie müsse Bestandteil einer "hybriden Kriegsführung" sein. Eine "offene" Informationslandschaft könne daher zu einer militärischen Achillesferse werden. Ein Amerika, das auf den Verfassungsgrundsätzen der Gewaltenteilung fußt, sei in dieser Hinsicht grundsätzlich schlecht konzipiert, erklärte der Vorsitzende des United States House Committee on Armed Services, Mac Thornberry, in einer Anhörung des Ausschusses für Streitkräfte des Repräsentantenhauses im März 2017 zum Thema "Hybrider Krieg".

Schließlich würden andere Länder, darunter Russland, China und Iran, angeblich ein breiteres Spektrum zentralistischer Instrumente zur Ausübung von Macht und Einfluss nutzen, um ihre Ziele zu erreichen. Auch andere Länder würden Beeinflussungsoperationen aller Art durchführen, um den USA zu schaden:

"Ob es sich um die Unterstützung ausländischer politischer Parteien, die gezielte Ermordung von Gegnern, die Infiltrierung von nicht-uniformiertem Personal, die Infiltrierung traditioneller Medien und sozialer Medien oder um Beeinflussungsoperationen oder Cyber-Aktivitäten handelt – all diese Taktiken und mehr werden eingesetzt, um nationale Interessen durchzusetzen und zumeist auch, um die nationalen Interessen der USA zu schädigen", unterstellte Mac Thornberry.

Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten sei unter den zukünftigen Führern des zensurindustriellen Komplexes die Einmischung "bösartiger ausländischer Bedrohungsakteure" quasi zum neuen Evangelium geworden. Trumps Wahlsieg sollte als sogenannte "Trump-Russland-Affäre" und somit als hybrides Kriegsereignis verstanden werden. Infolgedessen wurde eine riesige neue öffentlich-private Bürokratie etabliert, um angebliche "Falsch-, Des- und Fehlinformationen" zu unterbinden. Mit der sogenannten "Trump-Russland-Affäre" wurde der öffentlichen Akzeptanz zur Schaffung neuer Regierungsbehörden, denen Aufgaben zur "Informationskriegsführung" zuteilwurden, der Weg geebnet.

"Der 'industrielle Zensurkomplex' ist nichts anderes als der militärisch-industrielle Komplex, der für das Zeitalter der 'hybriden Kriegsführung' wieder neu aufgelegt wurde", beschreiben die Autoren die Entwicklung.

Entsprechend der Strategie, die die Kriegsindustrie gern als "Verteidigungs"-Sektor bezeichnet, wird auch der "Anti-Desinformations"-Komplex als rein defensiv vermarktet: Er diene angeblich zur Abwehr feindlicher Angriffe von ausländischen Cyber-Gegnern.

Stattdessen handle es sich um ein unerbittliches, monolithisches Nachrichtensystem, das sich in erster Linie an die einheimische Bevölkerung richtet. Dieser wird klarzumachen versucht, dass politischer Widerstand im eigenen Land den illegalen hybriden Angriff des Feindes auf die Demokratie unterstützt.

Um also nicht "die Feinde" zu unterstützen, sollten Menschen alte Vorstellungen von Bürgerrechten überdenken und neue Überwachungstechniken wie das "Toxizitäts-Monitoring" akzeptieren, begründen die neuen Meinungsmacher die Abschaffung demokratischer Grundsätze. Die "muffige alte freie Presse" müsse durch ein "modernes Konzept" ersetzt werden. Mittels automatisierter Verfahren zur "Extraktion relevanter Nachrichten" und mittels Algorithmen werden Zensurverfahren für eine "neue homogene Politik" ständig optimiert.

Auf diese "homogene Politik" beziehen sich die Organisationen des industriellen Zensurkomplexes, wenn sie von der Entwicklung einer "gemeinsamen Wortwahl" für Informationsstörungen, von "Glaubwürdigkeit" oder "Medienkompetenz" sprechen. Wenn also sogenannte Anti-Desinformations-Gruppen von "Resilienz" gegenüber Desinformation sprechen, meinen sie damit in Wirklichkeit, dass sie genehmigte Narrative so oft veröffentlichen, bis der Gesellschaft alles andere beängstigend oder abstoßend erscheint.

Die Autoren des Zerohedge-Berichts untersuchten auch, wie die von ihnen beobachteten Meinungssteuerungs-Organisationen miteinander umgingen: "Anstelle des Wettbewerbs bevorzugen die von uns beobachteten Gruppen das Konzept eines 'gemeinsamen Interesses'. Dabei trügen die wichtigsten 'Stakeholder' ihre Meinungsverschiedenheiten unter vier Augen aus, bilden aber nach außen eine einheitliche Front."

Die von ihnen in einer "Topliste" zusammengestellten Organisationen gehören laut Einschätzung der Autoren im Bereich Meinungsmache und -steuerung zu den Anführern des industriellen Zensurkomplexes. In ihrer Analyse stellen sie 50 ausgewählte Organisationen einzeln vor. Die Informationen umfassen jeweils deren Finanzierung, Geschichte und jeweilige "Arbeitsmethode". Beispielsweise verwendeten viele der Gruppen standardmäßig das sogenannte "Hass-Mapping", um "falsch denkende" Personen zu identifizieren.

Insgesamt geht es in der Analyse darum, das Ausmaß und die Ziele des "Zensur-Industriekomplexes" verständlich zu machen. Zum besseren Verständnis ihrer umfangreichen Recherche wird exemplarisch die Beschreibung einer Organisation in der "Top 50-Liste" in einer Kurzfassung wiedergegeben:

Angeführt wird die Liste vom "Information Futures Lab" (IFL), zu Deutsch "Informationslabor der Zukunft". Dieses ist ein Institut der Brown University. Das IFL ist Nachfolger von First Draft (FD), einer der ältesten und bekanntesten "Anti-Desinformations"-Organisationen. An der Brown-Universität ist das Institut in der Hochschule für Öffentliche Gesundheit untergebracht und damit beauftragt, "Fehlinformationen" und "überholte Kommunikationspraktiken" zu bekämpfen.

IFL/FD-Direktorin Claire Wardle hat die Unterscheidung von "Falsch-, Des- und Fehlinformationen" wesentlich geprägt. IFL/FD ist als einzige akademische, gemeinnützige Organisation an der Trusted News Initiative beteiligt. Die Trusted News Initiative besteht aus einem umfassenden Konsortium etablierter Medien und verfolgt das Ziel, die Debatte über die Pandemie zu kontrollieren. Von den Twitter-Führungskräften wurde Claire Wardle vorrangig in eine Gruppe von Beratern zur Bekämpfung von Falschinformationen berufen. Eine Mitbegründerin des IFL, Stefanie Friedhoff, ist Mitglied des COVID-19 Response Teams des Weißen Hauses.

First Draft wurde von vielen Institutionen finanziert, darunter Craig Newmark, Rockefeller, die National Science Foundation, Facebook, die Ford Foundation, Google, die Knight Foundation, der Wellcome Trust, die Open Society Foundations und andere. Die IFL wird unter anderem von der Rockefeller Foundation für eine Kampagne zur Steigerung der Impfstoffnachfrage finanziert. Als Vorreiter im Bereich Desinformationsstudien fungiert die IFL als wichtiger Berater für Konsortien in den Bereichen Medien, Technologie und öffentliche Gesundheit. 

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