Gefahr einer Ölpest – Macht Exxon Mobil Profit auf Kosten Guyanas und der Umwelt?
Der US-amerikanische Öl- und Gaskonzern Exxon Mobil treibt in Guyana ein Megaprojekt voran. Das Nachfolgeunternehmen der Standard Oil Company – laut dem Magazin Fortune auf Platz 10 der weltweit größten Unternehmen mit einem Jahresumsatz von knapp über 180 Milliarden US-Dollar – erschließt vor der guyanischen Küste ein Offshore-Ölfeld, den Stabroek Block, von etwa 26.800 Quadratkilometern. Das entspricht etwa der Größe der Republik Irland. Dort sollen sich nach aktuellen Schätzungen etwa neun Milliarden Barrel Erdöl befinden.
In einem Bericht des britischen Nachrichtenmagazins The Guardian und der investigativ-journalistischen Organisation Floodlight äußern mehrere Experten – darunter der namhafte Ingenieur und Katastrophen-Gutachter Prof. Dr. Robert Bea – Bedenken über das Sicherheitskonzept von Exxon Mobil in Guyana. Insbesondere im Fall einer Ölkatastrophe drohen Guyana und der gesamten Region schwere und langfristige Schäden an der Umwelt, aber auch an der Fischereiwirtschaft.
Exxon Mobil fördert seit 2019 Erdöl vor der Küste Guyanas. Der Operation Liza 1 sollen weitere 17 mögliche Bohrprojekte folgen. Laut Planung will das Unternehmen im Jahr 2025 eine Menge von 800.000 Barrel Öl pro Tag fördern. Damit wäre der Stabroek Block die ergiebigste Förderregion in Besitz von Exxon Mobil.
Bedenken am Sicherheitskonzept von Exxon Mobil
Robert Bea war führend an der Untersuchung der BP-Ölkatastrophe 2010 im Golf von Mexiko beteiligt, an der Untersuchung der Ölplattform Piper Alpha im Jahr 1988, der Ölpest ausgelöst durch die Exxon Valdez im Jahr 1989 sowie der Explosion des NASA-Space-Shuttles Columbia im Jahr 2003. Bea attestiert Exxon Mobil ein mangelhaftes Sicherheitskonzept für das Megaprojekt in Guyana.
Zwar habe das Unternehmen 2017 eine 500-seitige Einschätzung zu den möglichen Umweltfolgen an die Behörden von Guyana übergeben, worin geschrieben steht: "Ungeplante Ereignisse wie ein massiver Ölteppich werden durch die umfangreichen Präventivmaßnahmen als unwahrscheinlich eingeschätzt." Bea argumentiert aber, dass BP im Fall des Macondo-Ölfelds auch davon gesprochen hatte, es sei "unwahrscheinlich, dass ein zufälliger Austritt von Erdöl stattfinden kann", ebenfalls unter Hinweis auf die getroffenen Sicherheitsmaßnahmen. Tatsächlich traten nach der Explosion auf der Ölbohrplattform Deepwater Horizon, bei der elf Menschen starben, zwischen dem 20. April und dem 16. Juli 2010 etwa 800 Millionen Liter Erdöl aus, die in der gesamten Region eine Ölpest auslösten.
Nach Durchsicht des Sicherheitskonzeptes von Exxon Mobil zeigt sich Bea "mehr als besorgt":
"Wir könnten hier ein ähnliches Problem haben wie mit BP vor und nach dem Macondo-Desaster."
Der Katastrophen-Experte argumentiert, anstelle einer detaillierten Planung, wie mit den "hohen Risiken einer Offshore-Erschließung, Förderung und Transport-Operationen" umgegangen werden solle, liefere Exxon Mobil lediglich oberflächliche Bekundungen ihrer Möglichkeiten in Guyana. Bea sieht zahlreiche "lose Enden" und "unbestätigte Angaben".
Gefahren einer Ölpest
Insbesondere im Fall eines ungeplanten Austritts von Erdöl, einem Blowout, sei Exxon Mobil unzureichend gerüstet. Nach Angaben des US-Konzerns solle ein Ölaustritt innerhalb von 21 bis 30 Tagen geschlossen werden können. Der Sicherheitsexperte Bea hält das für ausgeschlossen – sowohl vom vorhandenen Personal als auch von der Bereitstellung des notwendigen Materials.
Die von Exxon Mobil im Fall eines Blowouts geplanten Methoden seien zudem veraltet und in hohem Maße schädigend für Umwelt und Menschen. So plant der Ölgigant etwa den Einsatz der Chemikalie Corexit 9500, die bereits in Großbritannien verboten ist und in Zusammenhang mit schweren gesundheitlichen Schäden gesehen wird. Außerdem plane Exxon Mobil, das austretende Erdöl an der Wasseroberfläche zu verbrennen – ungeachtet dessen, dass sich die Bohrzone im erweiterten Bereich der Mündungen der Flüsse Amazonas und Orinoco befindet, einem einzigartigen Biotop für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten.
Zudem würde nach Angaben von Exxon Mobil eine mögliche Ölpest nicht nur die Küste Guyanas betreffen. Im schlimmsten Falle würde sich der Ölteppich über einen großen Teil der Karibik erstrecken: von Venezuela über Trinidad bis hin nach Jamaika.
Laut The Guardian hatten ähnliche Sicherheitsanalysen von Robert Bea dazu geführt, dass die australischen Behörden 2016 ihre Anforderungen für eine von BP anvisierte Bohrung erhöhten. BP zog daraufhin sein Angebot zurück und verzichtete auf eine Förderung. Im Fall von Exxon Mobil und Guyana zeichnet sich das nach Angaben von Vincent Adams nicht ab. Adams ist ehemaliger Direktor der Umweltschutzbehörde von Guyana und selbst Ingenieur im Erdölsektor. 2020 wurde er von seinen Posten entlassen, nachdem er auf strengere Sicherheitsmaßnahmen seitens Exxon Mobil gedrängt hatte.
Adams ist sich sicher, Guyana hat keinesfalls ausreichende Ausstattung, Personal und Expertise, um einer Ölpest begegnen zu können. Ebenso bewertet das die international anerkannte guyanische Umweltanwältin Melinda Janki, die jahrelang als Rechtsberatung für BP gearbeitet hat und einige der Umweltgesetze von Guyana entworfen hat. Sie betont:
"Guyana ist vollkommen unvorbereitet für ein Macondo."
Guyana als "Goldesel" für Exxon Mobil
Exxon Mobil betonte auf Anfrage von The Guardian, das Unternehmen halte sich an alle Gesetze des Staates Guyana und stehe mit der guyanischen Regierung in einem regen Austausch:
"Unsere Arbeit und die Unterstützung durch die Regierung von Guyana sind die Basis einer langanhaltenden Beziehung zu beiderseitigem Nutzen, die einen signifikanten Wert für das Volk von Guyana darstellt."
Dagegen betont Vincent Adams, Exxon Mobil habe "keinen Respekt für die Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung". Es gehe dem Konzern lediglich darum, seine eigenen Profite zu steigern.
2015 hatte Exxon Mobil die ersten Ölvorkommen vor der Küste Guyanas entdeckt. Seitdem drängt das Unternehmen auf eine zügige Erschließung und legte der guyanischen Regierung ein viel kritisiertes Vertragsangebot vor. Gegenüber The Guardian betonte Exxon Mobil, die "Rekordgeschwindigkeit" im Aufbau der Ölförderung geschehe auch zum Wohle Guyanas. Allerdings bescheinigten Industrieanalytiker des Informationsdienstes IHS Markit, der zwischen Exxon Mobil und Guyana geschlossene Vertrag bevorteile das Unternehmen deutlich.
Das Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA) gibt an, 85 Prozent der Gewinne gehen an Exxon Mobil. Der Ölgigant gab an, er würde Milliarden von US-Dollar an Gewinne für Guyana generieren. Tatsächlich weist die guyanische Regierung bislang einen Gewinn von lediglich 309 Millionen US-Dollar aus. Dagegen hat Exxon Mobil laut IEEFA bislang etwa 1,8 Milliarden US-Dollar Gewinn eingefahren.
Palzor Shenga, der Vizepräsident des unabhängigen Energieforschungsunternehmens Rystad Energy, erklärt die beinahe verdoppelte Geschwindigkeit in der Ölförderung durch Exxon Mobil "bei einem Projekt dieser Größe" mit den geringen Kosten für den Ölkonzern. Die Kosten pro Barrel Rohöl lägen etwa fünf bis zehn US-Dollar niedriger als der globale Durchschnitt. Shenga macht deutlich, Guyana sei für Exxon Mobil ein "Goldesel".
Vincent Adams betont:
"Exxon Mobil ist hier vielleicht für 20 bis 25 Jahre. Wenn sie ihre Milliarden gemacht haben, zusammenpacken und gehen, werden wir weiter mit den Folgen leben müssen."
Guyanische Regierung reagiert
Der investigativ-journalistische Bericht von The Guardian und Floodlight blieb nicht ohne Folgen. Nur einen Tag nach seiner Veröffentlichung reagierte die guyanische Regierung und kündigte an, bei zukünftigen Verträgen bessere Konditionen für Guyana auszuhandeln.
Guyanas Vizepräsident Bharrat Jagdeo äußerte auf einer Konferenz über Offshore-Technologie in Houston (USA), dass der südamerikanische Staat bei kommenden Verhandlungen über Gewinnbeteiligungen "härter" auftreten werde. Darüber hinaus sei geplant, noch in diesem Monat eine Energieregulierungsbehörde aufzubauen. Diese solle dann Ausschreibungen für die Vergabe von Förderlizenzen aufstellen.
Exxon Mobil antwortete The Guardian, die mit Guyana geschlossenen Vertragsdetails seien "vergleichbar mit anderen Übereinkommen in Ländern auf ähnlicher Entwicklungsstufe der Ressourcenerschließung". Dennoch hob Jagdeo hervor:
"Wir machen deutlich, dass wir bei jedem neuen Gewinnbeteiligungsabkommen vollkommen andere Konditionen verhandeln werden als im Fall des Stabroek Block."
Gegenüber den Kritikern versicherte der guyanische Vizepräsident, die Ölindustrie Guyanas werde definitiv vorangetrieben werden. Man werde aber stärkere "Sicherheitsregeln" treffen. Die guyanische Regierung setze darauf, "so viel Öl wie möglich in kürzester Zeit" aus dem Boden zu bekommen. Jagdeo argumentiert:
"Wir müssen diese Ressource für uns nutzen, solange sie noch nachgefragt wird."
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