Streit um AfD in Thüringen: Verfassungsschutz von Verwaltungsgericht Gera abgewatscht
Von Alexej Danckwardt
Das Verwaltungsgericht Gera hat in einem am 14. August veröffentlichten Beschluss den Verfassungsschutz in Thüringen scharf kritisiert. Es verriss die Einstufung des gesamten Landesverbandes der AfD als "rechtsextrem" und "verfassungsfeindlich", da rechtlich fragwürdig und in tatsächlicher Hinsicht nicht ausreichend gesichert.
Als obiter dictum bezeichnen Juristen solche Passagen eines Urteils oder eines gerichtlichen Beschlusses, die für die Entscheidung eigentlich überflüssig sind, weil andere Argumente den Urteilsspruch bereits ausreichend rechtfertigen. Richter schreiben diese – überschießenden – Passagen dann in die Begründung, wenn sie einer der Streitparteien etwas von grundsätzlicher Bedeutung mitteilen oder der Öffentlichkeit signalisieren wollen, wie sie künftige Streitfälle zu entscheiden beabsichtigen.
Genau das war offenbar die Absicht der mit drei Berufsrichtern besetzten 1. Kammer des Verwaltungsgerichts in Gera. Sie hatte über einen Eilantrag eines AfD-Mitglieds gegen das Landratsamt des Saale-Orla-Kreises zu entscheiden. Das beklagte Amt hatte dem Mann die Erlaubnis zum Waffenbesitz entzogen und dies mit seiner Mitgliedschaft in der Oppositionspartei sowie mit deren Einstufung als "rechtsextremistisch" begründet.
Das Gericht gab dem Sportschützen Recht: Die Mitgliedschaft in einer Partei allein, egal ob verfassungsfeindlich oder nicht, reicht nicht, um die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit feststellen zu können. In den Akten seien, so das Gericht, "nicht einmal im Ansatz Umstände erkennbar, die den Schluss zulassen, dass vom Antragsteller selbst – jetzt oder in Zukunft – irgendwelche waffenrechtlich erheblichen Gefahren ausgehen könnten".
Das hätte zur Begründung der Eilentscheidung ausgereicht, doch die Geraer Richter schrieben das besagte obiter dictum, in dem sie die Bewertung der gesamten Landes-AfD als rechtsextremistisch auf Herz und Nieren prüften und letztlich in der Luft zerrissen.
Weder aus dem Landesverfassungsschutzbericht von 2021 noch aus einem weiteren, 23-seitigen Vermerk der Behörde vom 23. Mai 2022 folge "mit der erforderlichen Sicherheit die Verfassungsfeindlichkeit des gesamten Landesverbands der AfD in Thüringen". Es fehle der "erforderliche Grad an Erkenntnisgewissheit", so die Richter.
Der Verfassungsschutz konzentriere sich schwerpunktmäßig auf die Wiedergabe und verfassungsrechtliche Bewertung von Äußerungen "des einen Landessprechers" Björn Höcke. Dessen Äußerungen und jene des zweiten Landesprechers Stefan Möller seien zwar "gewichtige Indizien für die Gesamtausrichtung" der Landes-AfD. Das reiche aber angesichts des geschätzt 1200 Personen umfassenden Mitgliederkreises "sowie der regelmäßig komplexen Strukturen politischer Parteien" nicht.
Weiter beschränke sich der Landesverfassungsschutz auf die Wiedergabe von "lediglich drei vereinzelten programmatischen Aussagen aus dem Wahlprogramm des AfD-LVTh des Jahres 2019 zur Landtagswahl in Thüringen und der Wiedergabe von ganzen sechs einzelnen Aussagen von vier Funktionären". Auch das reiche nach Ansicht der Richter nicht aus, eine feststehende Verfassungsfeindlichkeit des gesamten Landesverbands der AfD-Thüringen zu belegen.
Die programmatischen Forderungen der AfD im Landtagswahlprogramm von 2019 würden vom Landesverfassungsschutz "in einer ihrem Aussagegehalt nach nicht zwingenden politischen Richtung interpretiert". Der Verfassungsschutz unterstelle, dass die AfD außerhalb der rechtsstaatlich gesetzten Schranken gegen Flüchtlinge vorgehen und damit den Schutz der Menschenwürde in Art. 1 Grundgesetz missachten wolle.
Diese Interpretation ist nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht zwingend. Es gebe bei Versorgungs- und Unterbringungsstandards für Asylbewerber einen politischen Gestaltungsraum. Dass sich die AfD laut Programm an "rechtlich bestehenden Möglichkeiten" orientieren wolle, werde vom Verfassungsschutz als "Lippenbekenntnis" bewertet, wofür es aber keine ausreichenden Belege gebe.
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Gegen ihn ist innerhalb von zwei Wochen nach seiner Zustellung die Beschwerde beim Thüringer Oberverwaltungsgericht möglich. Es handelt sich jedoch bereits jetzt um einen Etappensieg für die AfD in Thüringen und eine schwere Klatsche für das erkennbar politisch engagierte Landesamt für Verfassungsschutz.
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