Europa

Ukraine-Konflikt: Appell von Tusk soll von innenpolitischer Krise ablenken

Die Äußerungen des polnischen Ministerpräsidenten zielten eindeutig darauf ab, von der schlimmsten politischen Krise seines Landes seit den 1980er-Jahren abzulenken und gleichzeitig seinen Vorgänger zu diskreditieren, der sich gegen die Ukraine geäußert hat.
Ukraine-Konflikt: Appell von Tusk soll von innenpolitischer Krise ablenkenQuelle: www.globallookpress.com © Damian Burzykowski

Von Andrew Korybko

Der polnische Premierminister Donald Tusk erklärte kürzlich in einem Interview: "Jeder polnische Patriot muss erkennen, dass es keinen Zweifel am Krieg und an unserem Engagement – und dem der gesamten westlichen Welt – für die Ukraine in ihrer Konfrontation mit Russland geben kann." Anschließend behauptete er, dass "die Lage in der Ukraine und an der Front absolut das zentralste Thema für die polnische Sicherheit ist". Seine Äußerungen erfolgten im Vorfeld einer geplanten Reise nach Kiew, nachdem sich der Konflikt in der Ukraine Ende vergangenen Jahres begonnen hatte zu beruhigen.

Sein Appell an das polnische Volk, die Ukraine zu unterstützen, ist ein Versuch, von der schlimmsten politischen Krise seines Landes seit den 1980er-Jahren abzulenken, die durch seinen Übergriff auf nationale Medien und die Verhaftung zweier ehemaliger Minister unter rechtlich zweifelhaften Vorwänden ausgelöst wurde. Der spezifischere Kontext, in dem Tusk versuchte, Unterstützung für die Ukraine herbeizutrommeln, betrifft die anhaltende Blockade der Grenze seines Landes zur Ukraine durch polnische Bauern und Lastwagenfahrer, die damit gegen die Auswirkungen der EU-Politik zugunsten Kiews auf ihre Lebensgrundlage protestieren. Auch der frühere Premierminister Mateusz Morawiecki gab kürzlich in einem Interview mit einem britischen Medium zu, dass der Konflikt in der Ukraine "nicht in die gewünschte Richtung geht", nachdem Kiews Gegenoffensive "nicht erfolgreich" darin war, das Blatt zu wenden.

Während Morawiecki behauptete, dass der Silberstreifen am Horizont darin liege, dass sich der Westen gegen Russland vereint habe, war der allgemeine Ton seiner Äußerungen durchweg negativ geprägt und implizierte eine zunehmende Erschöpfung angesichts dieses Konflikts, was mit dem im vergangenen Vierteljahr aufkommenden Narrativ in den Mainstream-Medien übereinstimmt. Der Tonfall von Tusk hingegen klang gänzlich anders. Er sagte, dass er eine "antiukrainische Stimmung" in seiner Regierung nicht dulden werde, anders als jene, die seiner Meinung nach die Regierung von Morawiecki kurz vor ihrem Ende charakterisiert habe. Die Anspielung, die Tusk damit machte, ist, dass jeder Pole, der einen ewigen Krieg in der Ukraine nicht unterstützt, die nationalen Interessen seines Landes verrät. Zuvor hatte er erklärt: "Solange sich die Ukraine im Krieg mit Russland befindet, sind wir Polen relativ sicher."

Objektiv betrachtet ist die Realität tatsächlich das Gegenteil, da ein langwieriger Konflikt die wirtschaftlichen und militärischen Ressourcen Polens weiter belasten wird und gleichzeitig das Risiko eines sich in die Länge ziehenden Konflikts erhöht, der außer Kontrolle gerät, was durch einen russischen Durchbruch an der Front oder einen weiteren Raketeneinschlag in Polen beschleunigt werden könnte. Dennoch setzt Donald Tusk seine Karten weiterhin auf die Ukraine, obwohl sich der Großteil des Westens von Kiew zu distanzieren beginnt. Tusk tut dies wohl deshalb, um deutsche hegemoniale Interessen statt polnischer nationaler Interessen voranzutreiben.

Der frühere Vorsitzende der Regierungspartei, Jarosław Kaczyński, warnte wiederholt davor, dass Tusk ein "deutscher Agent" sei, der auf Geheiß Berlins aus Brüssel, wo er früher als Präsident des Europäischen Rates diente, nach Polen zurückgeschickt wurde, um in seinem Heimatland gemäß den Wünschen aus dem Kanzleramt zu handeln. Im ukrainischen Kontext betrachtet, dient die Aufrechterhaltung des Konflikts in der Ukraine dazu, dem Plan eines deutschen NATO-Offiziellen ein Gefühl der Dringlichkeit zu verleihen, der die Bildung eines "militärisches Schengen" vorsieht, was im Wesentlichen in einer großangelegten Rückkehr deutscher Truppen nach Polen münden würde.

Diese Truppen könnten Tusk dabei helfen, die Kontrolle im eigenen Land aufrechtzuerhalten, sollte er den Sicherheitskräften und/oder den Streitkräften nicht über den Weg trauen, falls sich eine neue breite Oppositionsbewegung zusammenschließt, was die konservativ-nationalistische Opposition inoffiziell versucht. Vor diesem Hintergrund liegt die patriotischste Position, die ein Pole derzeit einnehmen kann, darin, Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine zu unterstützen, die darauf abzielen, diesen Konflikt genau so einzufrieren, wie es ein ehemaliger Oberbefehlshaber der NATO vorgeschlagen hat.

Admiral James Stavridis schlug diese Lösung Mitte vergangenen November in einem Leitartikel für Bloomberg vor, den er mit der aufrichtigen Absicht vorbrachte, die kollektiven Interessen des Westens, einschließlich jener Polens, voranzutreiben. Die jüngsten Äußerungen von Donald Tusk deuten auf skandalöse Weise darauf hin, dass der ehemalige Oberbefehlshaber der NATO mit Bedrohungen für die "polnische Sicherheit" kokettierte und die nur abgewendet werden können, "solange sich die Ukraine im Krieg mit Russland befindet".

Es ist tatsächlich beschämend, so etwas auch nur anzudeuten, ebenso wie die Vorstellung, dass Polen nur dann "relativ sicher" bleiben kann, solange in seinem Nachbarland ein bewaffneter Konflikt tobt. Der einzige Grund, warum Tusk zu einer solchen Rhetorik griff, ist die Verzweiflung, seine Gegner zu diskreditieren und von der schlimmsten politischen Krise seines Landes seit den 1980er-Jahren abzulenken. Das zeigt, dass er den Gegenwind der breiten Proteste in Warschau von vor zwei Wochen spürt und dass die polnischen Patrioten daher ihre Bemühungen verstärken sollten, die polnische Demokratie zu schützen.

Aus dem Englischen.

Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien sowie auf Chinas Belt & Road-Initiative, Russlands geopolitischen Balanceakt und hybride Kriegsführung spezialisiert hat.

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