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"Böser Hase" und "Kampfigel" ‒ Mode für lustige Chevrons hebt die Stimmung beim russischen Militär

Schwarzer Humor, Selbstironie und eine Anspielung auf westliche russophobe Klischees: Witzige Chevrons sind bei den russischen Soldaten im Donbass in Mode. Sie sollen aufmuntern, die Erschöpfung vertreiben und die Härte des Kriegslebens auflockern.
"Böser Hase" und "Kampfigel" ‒ Mode für lustige Chevrons hebt die Stimmung beim russischen MilitärQuelle: Sputnik © Sputnik / Ria Novosti

"Ich ärgere mich nie! Sonst zittert die Hand und der Schuss geht daneben", steht auf dem Chevron, worauf ein Visier abgebildet ist. Die Mode für Chevrons ‒ die Ärmelabzeichen an der Uniform der Soldaten ‒ begann mit dem Start der russischen Militäroperation in der Ukraine, wie die Zeitung Moskowski Komsomolez berichtet. Mit der Zeit wurden die Aufnäher auf den Militäruniformen nicht nur zu einem Ausdruck der Weltanschauung der Soldaten, sondern auch zu einem modischen Accessoire. Anfangs hatten die Chevrons fast ausschließlich patriotischen Charakter ‒ zum Beispiel mit den Buchstaben "Z" und "V" ‒, doch im Laufe der langen Kriegsmonate änderte sich vieles. Die Zeitung Moskowski Komsomolez stellt fest:

"Der Boom in Sachen Chevrons begann etwa Mitte des Frühjahrs. Zunächst einmal ist das die Jahreszeit, in der man nach der Tristesse des Winters Abwechslung in alles bringen will, auch in die Garderobe. Aber wenn man Tag und Nacht in Uniform ist, kann man natürlich auch nicht viel unternehmen. Deshalb sind Chevrons zu einer Art psychologischer Lösung geworden."

Es gab eine Zeit, in der jeder versuchte, Chevrons mit einem Bild von Stalin und der Aufschrift "Sowas gab es zu meiner Zeit nicht" zu kaufen, erzählt ein russischer Soldat gegenüber Moskowski Komsomolez. Oder mit einem Porträt von Außenminister Sergei Lawrow und der Aufschrift "Es gehört zum Job, mit Idioten zu reden". "Sie waren wirklich sehr lustig", sagt er.

Art und Platzierung der Abzeichen werden eigentlich durch einen Erlass des Verteidigungsministers geregelt, erklärt die Zeitung Komsomolskaja Prawda. Und solche spielerischen Aufnäher sind in dieser Liste nicht enthalten. "Aber in der Zone der Militäroperation drücken die Offiziere oft einfach ein Auge zu. Offenbar denken sie: Alles, was die Kampfmoral hebt, ist gut", so die Zeitung.

"Kampfigel", "Held im Dienst: Zweite Tat gratis", "Arbeiten, Bruder", "Ich bin waghalsig ‒ frag mich nicht, warum" ‒ humorvolle Chevrons, oft mit schwarzem Humor und Selbstironie, sind in letzter Zeit in Mode gekommen, sagen die Kämpfer. Denn solche Aufschriften bringen einen zum Lächeln, egal was passiert. Ein russischer Soldat mit dem Decknamen "Kondrat" erzählt gegenüber Moskowski Komsomolez:

"Mediziner haben ihre eigenen Witze: 'Ich bin ein Arzt, also habe ich Ahnung', 'Heile mit Schimpfwörtern'. Das ist sehr charakteristisch für einen Mediziner in Kriegsgebieten. Er hat keine Zeit, Spielchen mit dir zu spielen, dich zu beruhigen und dir die Tränen wegzuwischen. Er muss dich retten und dann losrennen, um den Nächsten zu retten. Also liegst du einfach da und hältst es aus. Wenn du zu sehr jammerst, wirst du vielleicht nicht die schönsten Dinge über dich hören. Die Frauen an der Front sind eine eigene Geschichte, denn eine Frau ist immer eine Frau. Sie haben ihre eigenen Themen: 'Ich bin ein Mädchen und will einen Panzer', 'Böser Hase', alle möglichen Hexen, die auf Besen gestickt sind, Zeichentrickfiguren. Obwohl viele Männer auch Helden aus Zeichentrickfilmen mögen. Die Wahl hängt auch vom Alter des Militärs ab. Junge Menschen sind, wie es sich gehört, mutiger und kühner in ihrer Wahl."

Viele Chevrons greifen westliche russophobe Klischees über die russische Armee und die Klischees der ukrainischen Propaganda auf. So beziehen sich beispielsweise "Orks kommen!" oder "Z-Orks" auf einen von ukrainischen Propagandisten lancierten Vergleich mit hässlichen Monstern aus dem Tolkien-Universum.

Die Mode für witzige Abzeichen, die an der Front begann, hält allmählich Einzug in die Gesellschaft. So finden sich auf den Webseites von Online-Shops und großen Marktplätzen wie Ozon seit langem Chevrons "wie in der Zone der Militäroperation", die für den Hausgebrauch gekauft werden können. Und viele kleine Unternehmen stellen sie her ‒ nicht nur für Soldaten an der Front, sondern für jeden, der sie haben möchte.

Und doch tragen viele an der Front im Donbass schlicht und einfach Aufnäher, auf denen Heiligenbilder abgebildet sind. Und das sind nicht nur die tiefreligiösen Menschen, für die ein Heiliger auf der Uniform oder auf der Schutzweste dasselbe ist wie eine persönliche Ikone oder kleines Kruzifix. "Das ist etwas, das beschützt und in schwierigen Situationen hilft", meint dazu Kondrat in dem Gespräch mit Moskowski Komsomolez.

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