Gesellschaft

"Kindesentziehung": Ukrainische Flüchtlingsmütter bitten um Hilfe (Teil 1)

Schutzlos und entrechtet: Ukrainische Flüchtlingsmütter bitten um Hilfe. Sie kämpfen um die Rückgabe ihrer ihnen entzogenen Kinder in Deutschland, Spanien und Portugal. In Westeuropa ist von einer Dunkelziffer auszugehen.
"Kindesentziehung": Ukrainische Flüchtlingsmütter bitten um Hilfe (Teil 1)Quelle: Sputnik © Taissija Liskowez, RIA Nowosti

Von Maria Müller

Ein bislang rundweg verschwiegenes Thema kommt allmählich an die Öffentlichkeit: Ukrainische Flüchtlingskinder sind in Deutschland und in anderen westeuropäischen Ländern regelrecht gefährdet. Sie werden von ihren Familienangehörigen getrennt, meist handelt es sich um alleinerziehende Mütter. Auch die traumatischen Folgen der Trennung und Isolierung für Mutter und Kind sind offenbar kein Thema, weder für Jugendämter noch für bereitwillige Ärzte, Psychologen und Richter. Sie handeln nach dem unausgesprochenen Konsens: Ukrainische Kinder sollen über einen lang andauernden Aufenthalt bei Pflegeeltern faktisch und praktisch "adoptiert" werden, obwohl die offizielle Adoption von Kindern aus Kriegsgebieten in Deutschland aus guten Gründen verboten ist.

Wenn das ukrainische Kleinkind, das nach einem längeren Zeitraum inzwischen in eine deutsche Familie integriert ist und Deutsch spricht, nicht mehr zur leiblichen ukrainischen Mutter zurückkehren will (die sie monatelang nicht sieht), wird das von den Behörden akzeptiert. Als Voraussetzung für diesen erzwungenen "Integrationsprozess" muss das Sorgerecht der Flüchtlingsmütter gegenstandslos gemacht werden, indem man sie psychiatrisiert und für erziehungsunfähig erklärt. Der andere Weg ist, Mütter unter Druck zu setzen, einer offiziellen Adoption ihres Kindes in Deutschland zuzustimmen. Das geht immer, trotz des Flüchtlingsstatus des Kindes.

Ärztliche Hilfestellung und Familientherapie oder das Recht auf eine Zweitdiagnose existiert in diesen Fällen nicht. Man kann sich vorstellen, wie eine solche Behördengewalt die Mütter (ohne Sprachkenntnisse in einem fremden Land) zur Verzweiflung treibt und psychisch angreift. Manchmal werden die von ihrer Familie getrennten Kinder in Heimen oder Kliniken tage- und wochenlang mit wenig menschlichem Kontakt und ohne Kommunikation (Sprachbarriere) faktisch isoliert. Häufig ist der Mutter nur einmal im Monat eine Stunde Besuchszeit erlaubt – wie ein Gefängnisbesuch. In anderen Fällen sehen sie ihre Kinder erst wieder nach drei Monaten. Manche Frauen wissen wiederum gar nicht, wohin ihre Kinder gebracht wurden. Andere versuchte man zu überreden, einer Adoption zuzustimmen – denn sie seien bei einer deutschen Familie doch besser aufgehoben. Es soll in Deutschland laut verschiedenen Quellen mindestens 80 solcher Fälle geben. Eine der Frauen sagte:

"Das Konsulat ist machtlos. Allein in Deutschland gibt es mehr als 100 Fälle, in denen Flüchtlingen Kinder weggenommen wurden.Wir schließen uns bereits in Gemeinden zusammen, helfen uns finanziell und rechtlich gegenseitig. Momentan ist mir nur ein Fall bekannt, in dem eine Familie aus der Ukraine ihr Kind zurückbekam. Wir alle wollen zurück in die Ukraine, aber wir können dies nicht tun, solange unsere Kinder hier sind."

Keine einzige deutsche oder internationale Kinderhilfsorganisation hat sich bis jetzt um diese Fälle gekümmert. Auch Amnesty International oder Human Rights Watch äußern sich dazu nicht. Die weltbekannte traditionelle Organisation SOS Kinderdorf nimmt bislang nicht dazu Stellung, genauso wenig wie Terre des Hommes. Auch nicht das für Flüchtlingsfragen zuständige Internationale Rote Kreuz oder die Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen, die UNHCR. Die entmündigten Frauen haben keine Lobby.

Die UN-Sondersitzung des Sicherheitsrates über Flüchtlingskinder

Vor allem die UNHCR müsste sich angesprochen fühlen – denn bei der UN-Sondersitzung des Sicherheitsrates am 5. April wurde sie im eigenen Haus mit den Stimmen betroffener Mütter konfrontiert. Das Thema war: "Kinder und bewaffnete Konflikte: Ukraine-Krise. Evakuierung von Kindern aus Konfliktgebieten".

Russland hatte das Treffen einberaumt, um über ukrainische Flüchtlingskinder zu berichten, die in Russland und in westeuropäischen Ländern untergebracht sind. Man präsentierte Berichte und Videos von Kindern, die mit oder ohne Eltern nach Russland gekommen waren. Wenn sich Erziehungsberechtigte melden, werden ihnen die Kinder problemlos übergeben. In Deutschland hingegen hat man solche Kinder in zahlreichen Fällen ihren örtlich anwesenden ukrainischen Erziehungsberechtigten mit Begründungen weggenommen, die keiner juristisch-medizinischen Prüfung von halbwegs wissenschaftlichem Niveau standhalten. Vor allem alleinerziehende Mütter und deren Kinder sind Ziel solcher Machenschaften, da man sie offenbar für hilfloser hält.

Die von Russland präsentierten Informationen sind durch Videofilme belegt. Mit diesem Link können alle auf der Konferenz gezeigten Filme geöffnet werden.

Der Vertreter Russlands im UN-Sicherheitsrat Wassili Nebensja ermöglichte auf diese Weise, dass ukrainische Mütter und Augenzeugen aus Westeuropa sowie Kinder, Pädagogen und Kinderbeauftragte aus Russland von ihren Erfahrungen berichten. Die Verantwortlichen des russischen Jugenddienstes sprechen über ihre Arbeit mit russischen oder ukrainischen Flüchtlingskindern, man hat Einblick in das hohe Niveau der pädagogischen und ärztlichen Betreuung der Flüchtlingskinder in Heimen, Ferienlagern und Schulen.

Ukrainische Mütter berichten über die Wegnahme ihrer Kinder

RT veröffentlicht eine Beitragsserie mit mehreren Ausgaben. Im heutigen Teil 1 kommen betroffene Mütter in Westeuropa zu Wort, die in einem Video von ihrem Schicksal berichten.

Julia Panasenko aus Dnjepropetrowsk erzählt, dass ihr Sohn im Sozialamt in Derio in Spanien entführt wurde. Er befindet sich in einem Heim des Jugendamtes. Sie versichert: "Ich habe die ukrainischen Medien informiert, dass ich kein Fake bin, sondern eine lebende Person." (Sie zeigt ihren Personalausweis.)

Jelena Kowalewa aus Dnjepropetrowsk berichtet: "Mein Kind Richard Kowalew (vier Jahre) wurde vor neun Monaten in Deutschland von mir unbekannten Leuten des Jugendamtes mitgenommen. Ich hatte schon vier Anhörungen, die fünfte wird am 30. März dieses Jahres stattfinden. Sie geben mir mein Kind nicht zurück. Und ich habe meinen kleinen Sohn seit 83 Tagen nicht gesehen. Mir wurde gesagt, er sei bei einer deutschen Familie. Wir haben Richard nur dreimal gesehen. Dreimal für eine Stunde. Mein Junge wird bald vergessen, dass er eine Mutter hat. Dieser Prozess heißt 'Entfremdung'. Bitte retten Sie meinen ukrainischen Sohn. Ich flehe Sie an. Das ist kein Fake." (Anm: Jelena weinte bei einem der Anhörungsverfahren und wurde deshalb als psychiatrisch auffällig betrachtet.)

Alina Lytkowa aus Sewerodonezksagt: "Mein Kind (Tochter Julia Daschko) wurde mir vom Jugendamt in Deutschland weggenommen. Sie wurde als 'vorübergehende Schutzmaßnahme' in ein Waisenhaus gebracht. Nun sei sie bei einer deutschen Familie, wurde mir gesagt. Meine Tochter wird wirklich vom Jugendamt in Deutschland festgehalten. Wir bitten Sie um Ihre Hilfe, unsere Kinder wieder zurückzubekommen. Das ist kein isolierter Fall in Europa. Wir sind keine Fakes."

Alina Komisarenko aus Saparoschje berichtet: "Mein Kind wurde mir in Portugal vom Jugendamt weggenommen. Gegenwärtig ist das Kind im Waisenhaus des Jugendamtes. Ich habe den ukrainischen Medien erklärt, dass ich kein Fake bin, sondern eine reale, lebende Person."

Oksana Buratewitsch aus Kiew mit einem neunjährigen Sohn erzählt: "Und in diesem Land wurde ich als psychisch krank deklariert. Ich habe angeblich das Münchhausen-Syndrom, die chronischen Magenschmerzen meines Sohnes seien durch meinen Einfluss auf ihn psychisch bedingt. (In der Ukraine war eine Magenschleimhautentzündung diagnostiziert worden.) Deshalb haben sie ihn von mir getrennt, anstatt ihn medizinisch zu behandeln. Um 22 Uhr abends klingelten sie an der Wohnungstür. Sie sagten, dass sie meinen Sohn aufgrund einer ärztlichen Anweisung mitnehmen müssten. Sie hätten eine richterliche Verfügung. Nach einer gerichtlichen Anhörung wurde mir teilweise das Elternrecht entzogen. Mein Sohn müsse von mir getrennt werden, um zu sehen, ob sich seine Magenschmerzen ohne meinen Einfluss bessern würden. (!!)

Sie wollten mich überreden, mein Kind zur Adoption freizugeben. Muss ich darauf eingehen? Sie sagten: Geben Sie zu, dass er es in irgendeiner anderen Familie besser hat! Muss ich das zugeben? Soll ich das einräumen? Ich, eine liebende Mutter? Muss ich einräumen, dass er in Deutschland besser dran sei? Selbst wenn er lieber nach Hause zurückgehen will? Wir sind hier nur für eine kurze Zeit aufgrund der militärischen Umstände gelandet. Leute, was geht auf der Welt vor, was geht in der Gesellschaft vor? Bitte helft uns, sonst wird es eine Katastrophe geben. Ich bin dabei, mein Kind zu verlieren!"

Jelena Daschko aus Sewerodonezk lebt mit einer neunjährigen Tochter in Deutschland. Nach einem Besuch beim Kinderpsychologen in der Nähe eines Flüchtlingslagers wurde der Mutter zwei Wochen später das Erziehungsrecht teilweise entzogen und die Tochter in eine Klinik verbracht. "Die Klinik sagte mir, dass ich nun kein Besuchsrecht mehr habe, weil man meiner Tochter einen Vormund zugewiesen habe. Falls ich erneut auf das Gelände der Klinik käme, würde ein Strafverfahren gegen mich eröffnet."

Nach dem ersten Besuch hatte die Mutter festgestellt, dass ihre Tochter im Gesicht zerkratzt war und blaue Flecken hatte. Das habe sie sich selbst zugefügt, erklärte der Psychologe. Das Mädchen sei sehr wortkarg gewesen. Es erzählte der Mutter, fast immer allein zu sein, ohne ein Gespräch in ihrer Sprache.

Die vollständigen Berichte von Kowalewa, Buratewitsch und Daschko wurden vom ukrainischen Portal Strana News veröffentlicht. Man kann sie mit einer automatischen Internet-Übersetzung (per Google) in allen Sprachen lesen.

Die Vorkommnisse besonders in Deutschland, aber auch in Spanien und Portugal müssen untersucht werden. Sie werfen die Frage auf, ob der gleiche Trend auch in anderen europäischen Staaten besteht. Wie hoch ist die Dunkelziffer?

Was tun?

Die Mitglieder des Bundestages haben das Recht und die Pflicht, Licht in dieses Dunkel zu bringen. Eine "kleine Anfrage" ist das Mindeste, eine Untersuchungskommission das Adäquate, was unsere Parlamentarier tun müssten.

Pflegeeltern ukrainischer Flüchtlingskinder sollten die Angaben des Jugendamtes unabhängig überprüfen, bevor sie ein angebliches ukrainisches Waisenkind oder ein "Kind einer erziehungsunfähigen Mutter" aus Flüchtlingskreisen annehmen. Sie müssten abklären, ob es eine leibliche Mutter gibt, wo sie sich befindet, und anwaltlich untersuchen lassen, warum ihr das Sorgerecht entzogen wurde. Unter diesem Link findet man Fachanwälte.

Sie sollten sich auch dafür einsetzen, dass diese angebliche "Erkrankung" oder "Unfähigkeit" der leiblichen Mutter behandelt wird und somit eine Rückgabe des Kindes zeitlich vorgesehen ist. Diese moralische Verpflichtung müssen Pflegeeltern auf sich nehmen, wenn sie nicht Teil eines organisierten Kindesraubes sein wollen. Daran beteiligte Behörden und Ärzte/Psychologen/Psychiater würden sich nach internationalem Recht einer Straftat schuldig machen. Kinderrechte sind internationales Recht.

Mehr zum Thema - Der Tatsachenkern hinter der Hasspropaganda: Wie ukrainische Kinder in Russland strandeten

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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.